
„The Hateful Eight“: Quentin Tarantinos schneebedeckte Symphonie der amerikanischen Brutalität
Quentin Tarantinos The Hateful Eight (2015) ist ein Film, der dich herausfordert, ihn zu hassen. Im Wyoming nach dem Bürgerkrieg angesiedelt, entfaltet sich dieser klaustrophobische Western wie ein mit Gift getränktes Theaterstück, das Tarantinos typische Wortgewalt mit opernhafter Gewalt verbindet. Gedreht in Ultra Panavision 70mm – einem Format, das zuletzt für Monumentalfilme der 1960er verwendet wurde – fängt der Film seine Charaktere (und das Publikum) paradoxerweise in einer engen Hütte ein und erzeugt eine Spannung, die so erdrückend ist wie der Schneesturm draußen. Wenn Reservoir Dogs (1992) ein Heistfilm ohne den Raub war, dann ist The Hateful Eight ein Western ohne den Westen – eine nihilistische Parabel über Amerikas Ursünden, verpackt in Schnee und Blut.

Eine Hütte voller Wölfe
Tarantino strukturiert The Hateful Eight wie ein langsam glimmendes Mystery, unterteilt in Kapitel, die sich von unangenehmer Kameradschaft bis zum Gemetzel steigern. Die Kopfgeldjäger John Ruth (Kurt Russell) und Major Marquis Warren (Samuel L. Jackson) suchen zusammen mit dem selbsternannten Sheriff Chris Mannix (Walton Goggins) Schutz in Minnie’s Haberdashery, wo sie auf Daisy Domergue (Jennifer Jason Leigh) treffen, eine Gefangene, deren trotziges Grinsen ein tödliches Geheimnis verbirgt. Die anderen Bewohner der Hütte – ein Konföderierten-General (Bruce Dern), ein Henker (Tim Roth), ein Cowboy (Michael Madsen) und ein mexikanischer Hausmeister (Demián Bichir) – bilden ein Mikrokosmos des Nachkriegsamerikas, jeder mit eigenen Grollgefühlen, die mit Rasse, Klasse oder Gier verbunden sind.
Die Kohärenz der Handlung hängt von Tarantinos Liebe zur Täuschung ab. Rückblenden durchbrechen die Linearität und enthüllen verbündete Feinde (Channing Tatums Jody Domergue, der unter den Dielen lauert) und stellen unsere Wahrnehmung der Hüttenbewohner infrage. Doch das Mittelstück des Films zieht sich, mit Dialogschleifen, die an die Tavernenszene aus Inglourious Basterds (2009) erinnern, aber deren Präzision vermissen lassen. Wie der Kritiker Steven Mears bemerkte, fühlt sich Tarantinos Drehbuch an wie „Reden, reden, reden, töten“ – ein Rhythmus, der die Geduld strapaziert, bevor er mit einem blutigen Finale belohnt.
Charaktere als ideologische Schachfiguren
Tarantino bevölkert seine Schneekugel mit Archetypen statt mit Menschen. Warren, ein schwarzer Unionsveteran mit einem zweifelhaften Lincoln-Brief, und Smithers, ein konföderiertes Fossil, das am Mythos der „Lost Cause“ festhält, verkörpern Amerikas Rassenkonflikt. Daisy, die einzige Frau, wird zum Punching Ball – im wahrsten Sinne – für die Wut der Männer, ihr blutverschmiertes Gesicht eine groteske Leinwand des Misogynismus. Diese Charaktere entwickeln sich nicht, sie entlarven sich.
Die spannendste Dynamik besteht zwischen Warren und Mannix, einem Südstaatler, der sich zum Gesetzeshüter wandelt. Ihr fragiles Bündnis – besiegelt durch Warrens gefälschten Lincoln-Brief – spiegelt Amerikas gescheiterte Versöhnung. Als sie Daisy schließlich gemeinsam hängen, liefert Tarantino eine bittere Pointe: Solidarität, geschmiedet durch gemeinsamen Hass.

Visuelle Pracht in einer gefrorenen Hölle
Kameramann Robert Richardson inszeniert den Film mit breitwandiger Majestät und kontrastiert Wyomings eisige Weite mit der Enge der Hütte. Das 70mm-Format, normalerweise für Wüstenpanoramen reserviert, verstärkt hier die Klaustrophobie und verwandelt Großaufnahmen von grinsenden Gesichtern in Landschaften der Bosheit. Tarantinos Kamera verweilt bei Details: einem brodelnden Eintopf wie einem Hexenkessel, einer knarrenden Tür, die Schneeflocken wie Schrapnell einschleust.
Das Szenenbild von Yohei Taneda (ein Tarantino-Neuling) trieft vor historischer Authentizität, von den nikotingelben Wänden bis zum ominösen „Minnie’s“-Schild, das im Sturm schwingt. Doch der visuelle Höhepunkt kommt während Warrens Monolog über die Folterung von Smithers’ Sohn – eine Szene, die wie eine Lagerfeuer-Gruselgeschichte inszeniert ist, während Jackons Augen vor Bosheit funkeln und die Kamera sich näher schiebt, um uns mit der Lüge (oder Wahrheit?) seiner Worte zu konfrontieren.
Klang und Wut: Morricones Meisterwerk
Ennio Morricones Score – seine erste Westernkomposition seit 34 Jahren – ist selbst ein Charakter. Die Eröffnungsovertüre mit ihrem klagenden Chor und kreischenden Streichern erinnert an The Good, the Bad and the Ugly (1966) und The Thing (1982), dessen Themen Morricone hier neu arrangiert. Die Musik schwoll an, während die Kamera über Schneewehen gleitet, und verstummt in den angespannten Konfrontationen der Hütte, wo nur das Knarren der Dielen und das Zischen des Kaffeekochers bleiben – eine Erinnerung, dass Gift, nicht Kugeln, die tödlichste Waffe sein könnte.
Tarantinos Sounddesign verstärkt jeden brutalen Moment: Knochen brechen, Gehirn spritzt, Daisys schräges „Jim Jones at Botany Bay“, mit dem sie ihre Peiniger verspottet. Ein auditiver Sadismus, der zum Zucken zwingt.

Amerikas eiternde Wunde
The Hateful Eight ist Tarantinos politischster Film seit Django Unchained (2012). Wo Django sich an Rache ergötzte, bietet Hateful Eight keine Helden – nur Opfer und Täter. Die Hütte wird zur Metapher einer auf Gewalt gebauten Nation, deren Bewohner die ethnischen und ideologischen Schlachten des Bürgerkriegs wiederholen. Der viel diskutierte Lincoln-Brief, der sich als Fälschung entpuppt, unterstreicht die Fragilität von Amerikas Einheitsmythen: Fortschritt ist eine Lüge, und „Hand-in-Hand“-Kameradschaft endet am Galgen.
Daisys Schicksal – gehängt, während sie an den abgetrennten Arm ihres Peinigers gefesselt ist – spiegelt Tarantinos Geschichtsbild: eine Kette der Brutalität, die uns alle bindet. Wie Kritiker Josh Sczykutowicz bemerkte, verbindet der Film den Rassenterror des 19. Jahrhunderts mit moderner Polizeigewalt und argumentiert, dass Amerikas „Candie Land“ nie unterging.
Tarantinos DNA: Echos früherer Werke
Fans werden Tarantinos Fingerabdrücke überall erkennen: die Kapiteltitel (seit Kill Bill ein Markenzeichen), die mexikanischen Standoffs (Hommage an Reservoir Dogs) und die Meta-Kommentare über Geschichtenerzählen (Warrens Lincoln-Brief als Pendant zu Inglourious Basterds’ erfundener Heldenhaftigkeit). Doch The Hateful Eight fühlt sich näher an The Thing (1982) an als an Django und tauscht Pferdejagden gegen Paranoia. Wie John Carpenters Shape-Shifter trägt hier jeder eine Maske – manche wortwörtlich (Bobs Hausmeister-Rolle), andere ideologisch (Mannix’ Sheriff-Stern).
Ein Chor von Schurken
Das Ensemble schauspielert mit hörbarem Vergnügen. Samuel L. Jackson liefert eine seiner besten Rollen, balanciert Warrens Sprücheklopfen mit Verletzlichkeit – hörbar, wenn seine Stimme bricht, als Mannix den Lincoln-Brief anzweifelt. Jennifer Jason Leighs Daisy ist wild und magnetisch; ihr Kichern, als Ruth sie schlägt, wirkt wie eine Provokation des Publikums. Walton Goggins stiehlt als Mannix die Show, sein Slang verbirgt Gerissenheit, während Tim Roth Christoph Waltz’ Redseligkeit kopiert, aber mit einem Henker-Grinsen würzt. Nur Michael Madsen wirkt unterfordert, sein Cowboy bleibt ein growliger Archetyp.
Ein chaotisches, grandioses Moralstück
The Hateful Eight ist Tarantinos umstrittenster Film – ein aufgeblasener, brillanter und oft unerträglicher Sezierungsversuch amerikanischen Hasses. Seine Schwächen (Längen, übermäßige Grausamkeit) sind unbestreitbar, aber auch sein Ehrgeiz. Wie der Lincoln-Brief ist er eine Fälschung – ein Western, der das Genre untergräbt, um zu fragen: Kann eine Nation, die auf Gewalt gegründet wurde, ihr je entkommen?
Trotz aller Nihilistik bleibt der Film haften. Wenn Morricones Musik über dem letzten Bild anschwillt – Daisys Leiche wie ein makabrer Engel baumelnd – spürst du das Gewicht von Tarantinos These: Geschichte wird nicht von den Siegern geschrieben, sondern von denen, die das Blutbad überleben.