The Gorge – Ein Action-Horror-Liebesbrief zum Valentinstag

Scott Derricksons The Gorge ist so ein Film, der eigentlich nicht so gut funktionieren dürfte, wie er es am Ende tut. Survival-Horror, Sci-Fi, Action und Romanze werden in einen Mixer geworfen, auf höchster Stufe durchgeschüttelt – und was dabei herauskommt, ist ein unterhaltsamer, stilbewusster Trip mit echten emotionalen Momenten. Miles Teller und Anya Taylor-Joy liefern starke Performances ab, die Optik ist eine Wucht, und auch wenn der Film das Rad nicht neu erfindet, macht die Fahrt darauf verdammt viel Spaß.

Und das Beste? Der Trailer hat absolut nichts über den eigentlichen Film verraten. Was für eine Seltenheit in Zeiten, in denen Trailer oft die komplette Handlung vorwegnehmen. Ich saß im Apple TV-Heimkino und wusste nicht, was mich erwartet – und genau das hat das Erlebnis noch besser gemacht.

Eine Liebesgeschichte mit Schutzweste

Im Kern ist The Gorge eine ungewöhnliche Romanze. Levi (Miles Teller) und Drasa (Anya Taylor-Joy) sind Scharfschützen auf gegenüberliegenden Seiten eines gigantischen, geheimen Abgrunds. Ihr Job? Sicherstellen, dass das, was sich da unten befindet, nicht rauskommt. Sie sollen nicht miteinander kommunizieren, aber Isolation sorgt dafür, dass Regeln irgendwann egal werden.

Was mit kleinen Nachrichten und spielerischem Scharfschützen-Wettbewerb beginnt, entwickelt sich schnell zu einer tiefen Bindung – zwei Menschen, die sich in dieser feindlichen Umgebung irgendwie gegenseitig retten. Teller und Taylor-Joy haben eine spürbare Chemie, selbst wenn sie kilometerweit voneinander entfernt sind. Ihr Schlagabtausch, ihre wachsende Verbindung, ihre Momente der Verletzlichkeit – all das verleiht dem Film eine emotionale Basis, die vielen Actionfilmen mit romantischer Nebenhandlung fehlt.

Und dann kommen die Monster

Natürlich bleibt es nicht beim Flirten mit Zielfernrohren. The Gorge ist ein Derrickson-Film – also wird es irgendwann richtig ungemütlich. Sobald das Geheimnis des Abgrunds gelüftet wird, schaltet der Film in den Action-Horror-Modus und geht auf Vollgas. Man stelle sich eine Mischung aus Annihilation, Resident Evil und John Wick vor – mit Kreaturen, die einem Fiebertraum von H.P. Lovecraft entsprungen sein könnten.

Die Hollow Men, wie sie genannt werden, sind ein verstörender Mix aus organischem Horror und militärischem Sci-Fi. Je tiefer Levi und Drasa in den Abgrund vordringen, desto mehr fühlt sich der Film wie ein düsteres Videospiel an – mit klaustrophobischen Gängen, geheimnisvollen Forschungseinrichtungen und Setpieces, die auch aus The Last of Us oder Gears of War stammen könnten.

Und dann sind da diese unglaublichen John Carpenter-Vibes. Die Musik, die bedrückende Atmosphäre, der langsame Spannungsaufbau – The Gorge hat in seinen besten Momenten etwas von The Thing oder Escape from New York. Das hier ist kein glattpolierter Blockbuster-Horror, sondern dreckig, düster und voller praktischer Effekte, die sich wunderbar oldschool anfühlen.

Und dann das Unfassbare: Der Film ist FSK 12. Wie?! Ich habe keine Ahnung, was da in der Freigabebehörde los war, aber The Gorge hat Szenen, die locker eine FSK 16 verdient hätten. Ich bin sicher, dass einige Eltern ziemlich überrascht sein werden, wenn sie ihre Kinder in diesen Film begleiten…

Ein visuelles Spektakel

Optisch ist The Gorge ein Genuss. Kameramann Dan Laustsen (John Wick: Kapitel 4) sorgt dafür, dass die Beleuchtung die unheimliche Atmosphäre verstärkt – das Tal wirkt wie ein lebendiger, atmender Organismus. Derrickson setzt sein Händchen für surreale und beunruhigende Bilder (Sinister, The Black Phone) perfekt ein, sodass selbst ruhigere Momente eine unterschwellige Spannung behalten.

Der Soundtrack von Trent Reznor und Atticus Ross ist eine perfekte Mischung aus beklemmender Düsternis und pumpendem Adrenalin – einer dieser Scores, die sich ins Gehirn brennen und lange nachwirken.

Nicht alles sitzt, aber wen juckt’s?

Natürlich ist The Gorge nicht perfekt. Manche Story-Entwicklungen bedienen sich aus dem Standard-Baukasten des Genres, einige Dialogzeilen könnten auch aus einer Call of Duty-Zwischensequenz stammen. Und der Wechsel zwischen ruhigen Charaktermomenten und bombastischer Action fühlt sich manchmal etwas holprig an.

Aber wisst ihr was? Es ist mir egal. Der Film ist sich seiner eigenen Genre-Überdrehtheit voll bewusst und steht dazu – und das macht einfach Spaß.

Unvernünftig, wild, unterhaltsam. Springt in den Abgrund!

Ist The Gorge ein Meisterwerk? Nein. Ist es eine verdammt gute Zeit auf Apple TV? Absolut. Der Film nimmt eine absurde Mischung aus Action, Horror und Romanze und macht daraus etwas, das erstaunlich gut funktioniert. Teller und Taylor-Joy tragen die Geschichte, Derrickson inszeniert mit sicherer Hand, und der Film scheut sich nicht davor, einfach erfrischend unvernünftig zu sein.

In einer Zeit, in der viele Filme wirken, als wären sie von einem Marketing-Team entworfen worden, ist The Gorge eine schöne Erinnerung daran, dass Filme Spaß machen dürfen. Wer Lust auf eine Liebesgeschichte mit Scharfschützen, mutierten Albtraumwesen und atemberaubender Optik hat, sollte diesen Sprung wagen.

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@yakobusan