Kill Bill: Volume 2 – Filmkritik

Quentin Tarantinos Kill Bill: Volume 2 (2004) setzt die blutige Racheodyssee der Braut fort und bildet den Abschluss von Tarantinos zweigeteiltem Rache-Epos.

Der langsamere zweite Akt

Mit Kill Bill: Volume 2 führt Quentin Tarantino die Geschichte von Beatrix Kiddo, auch bekannt als „The Bride“, zu Ende. Anders als der actiongeladene erste Teil präsentiert Volume 2 eine deutlich entschleunigte Erzählweise. Tarantino nimmt sich Zeit: Längere Dialogsequenzen, Rückblenden und eine kapitelhafte Struktur prägen den Film. Bereits der Einstieg signalisiert den veränderten Tonfall – eine schwarz-weiße Rückblende zur Hochzeitskapelle, gefolgt von einer vom Genre-Western inspirierten Monologfahrt der Braut im Auto durch die Wüste. Diese nicht-lineare Narration (die Braut verkündet gleich zu Beginn, dass nur noch ein Name auf ihrer Todesliste steht) ist typisch für Tarantinos Spiel mit der Chronologie. Doch in Volume 2 führt dieser Kunstgriff auch dazu, dass der Film gemächlicher wirkt: Der rasante Rhythmus von Vol. 1 weicht einer fast schon meditativen Ruhe, in der jede Szene atmet.

Die Handlung setzt genau dort an, wo der Vorgänger endete, jedoch mit merklich anderem Pacing. Nachdem Beatrix in Volume 1 zwei ihrer ehemaligen Kollegen der Deadly Viper Assassination Squad erledigt hat, konzentriert sich Vol. 2 nun auf die letzten Konfrontationen: mit Budd (Michael Madsen), Elle Driver (Daryl Hannah) und schließlich Bill (David Carradine) selbst. Anstatt jedoch nahtlos an das Action-Feuerwerk des Vorgängers anzuknüpfen, gönnt Tarantino dem Publikum Verschnaufpausen. Ganze Kapitel – mit pulpigen Titeln wie “The Lonely Grave of Paula Schultz” oder “The Cruel Tutelage of Pai Mei” – widmen sich langsam aufbauenden Spannungsmomenten. Etwa wenn Budd die Braut unerwartet überwältigt, mit Schrotkugeln niederstreckt und lebendig im Sarg der titelgebenden Paula Schultz begräbt. Diese Szene, quälend langsam und intensiv gefilmt, verdeutlicht Tarantinos Willen, Spannung nicht durch Hektik, sondern durch schrittweise Eskalation aufzubauen. Die Erzählweise von Kill Bill: Volume 2 ist vergleichbar mit einem Western von Sergio Leone: ausgedehnte Einstellungen, betontes Schweigen und plötzlich aufflackernde Gewalt. Das Pacing wirkt dadurch ungleich gemächlicher als im Vorgänger – für manche Zuschauer zwei Stunden, die sich eher wie vier anfühlen, für geduldige Fans jedoch ein mutiger erzählerischer Ansatz, mit dem Tarantino neue Töne anschlägt.

Racheengel mit Tiefe

Im Zentrum steht erneut Uma Thurman als Beatrix Kiddo alias The Bride, die in Volume 2 über den bloßen Racheengel hinaus Tiefe gewinnt. War sie im ersten Film vor allem eine mythisch überhöhte Tötungsmaschine, erleben wir sie nun verwundbarer und facettenreicher. Beatrix wird nicht nur körperlich an ihre Grenzen gebracht – man denke an ihre Verzweiflung und Willenskraft, als sie sich aus dem vergrabenen Sarg zurück ans Licht kämpft –, sondern auch emotional. Spätestens wenn sie ihrer totgeglaubten Tochter B.B. begegnet, zeigt Thurman eindrucksvoll die sanftere, mütterliche Seite der Braut. Diese Enthüllung fügt ihrer Figur eine neue Dimension hinzu: Mutterschaft und der Konflikt zwischen ihrem alten Leben als Killerin und ihrer neuen Rolle als Mutter stehen plötzlich im Raum. The Bride muss sich fragen, wer sie jenseits der Rache eigentlich sein will.

Auch die Nebenfiguren erhalten in Volume 2 mehr Profil. David Carradine als Bill dominiert den Film trotz begrenzter Screentime mit charismatischer Präsenz. Bill ist kein reines Phantom mehr, sondern ein vielschichtiger Antagonist: zugleich väterlicher Mentor, charmanter Erzschurke und letztlich tragische Figur. In der finalen Begegnung mit Beatrix entfaltet sich ein Katz-und-Maus-Spiel voller untergründiger Spannung – geprägt durch Bills sanfte Stimme und seine fast schon philosophischen Monologe (sein berühmter Vergleich von Superman und Clark Kent offenbart viel über sein Weltbild und Beatrix’ Identität). Michael Madsens Figur Budd, Bills desillusionierter Bruder, bekommt ebenfalls Raum für Nuancen: Als heruntergekommener Ex-Killer, der in einem Stripclub als Türsteher scheitert, strahlt er eine müde Melancholie aus. Budd mag moralisch bankrott sein, doch in seinen bitteren Dialogzeilen („Wir haben es beide verdient, zu sterben“) schimmert so etwas wie Einsicht durch, was ihm im Panorama der Schurken eine eigenartig tragische Note gibt.

Gordon Liu als sadistischer Kung-Fu-Meister Pai Mei in den Rückblenden ist ebenfalls ein Highlight. Seine Trainingssequenzen mit Beatrix gehören zu den Höhepunkten des Films: Er karikiert herrlich die alten Hongkong-Martial-Arts-Weisheitslehrer, während die Braut durch Schmerz und Demütigung bei ihm zur ultimativen Kämpferin geschmiedet wird. Und nicht zuletzt Daryl Hannah als einäugige Elle Driver: Sie gibt der Figur eine giftige, überzeichnete Bösartigkeit, die an Comic-Schurken erinnert. Ihr eigener Showdown mit Beatrix im engen Wohnwagen von Budd – zwei tödliche Frauen, die auf engstem Raum um Leben und Tod kämpfen – bietet Hannah Gelegenheit, Elles fanatische Rachsucht voll auszuspielen. Die Charakterentwicklung konzentriert sich weniger darauf, dass Figuren sich wandeln, als darauf, dass wir sie besser verstehen und in ihrem jeweiligen Kodex erleben. Tarantino liebt seine skurrilen Gestalten, und Volume 2 schenkt uns intime Einblicke in ihre Marotten und Motivationen.

Zwischen Grindhouse und Italowestern

Visuell schlägt Kill Bill: Volume 2 leisere Töne an als sein Vorgänger, bleibt aber unverkennbar ein Tarantino-Film. Die Kameraführung (von Star-Kameramann Robert Richardson) ist im zweiten Teil weniger schrill-bunt, dafür atmosphärisch dicht. Tarantino verzichtet weitgehend auf die knalligen Comicfarben aus Vol. 1 – die gelbe Motorrad-Lederkombi oder die blutroten Splash-Frames – und taucht Volume 2 in erdigere Farben. Die Szenen in der Wüste von Texas und Mexiko etwa leuchten in staubigen Brauntönen und gleißendem Sonnenlicht, was die Western-Anleihen unterstreicht. Man wähnt sich stellenweise in einem Spaghetti-Western: lange Schatten in der Wüstenhitze, ruhige Totalen eines staubigen Trailerparks, in dem sich ein Showdown anbahnt.

Gleichzeitig zitiert Tarantino erneut munter die Filmgeschichte. Die Inszenierung des Trainings bei Pai Mei ist im Stil klassischer Shaw-Brothers-Kung-Fu-Filme der 1970er gehalten: leicht körniges Bild, stilisierte Zooms und theatralische Kampfposen vor gemalten Kulissen. Die Farbpalette springt hier in kühlen Blau- und Grautönen, und ein leichtes Sepia lässt die Rückblenden wie alte Genre-Legenden wirken. Auch Schwarz-Weiß kommt zum Einsatz: Die Rückblende zur „Massacre at Two Pines“-Hochzeit ist körnig monochrom und verleiht dem grausigen Verrat einen zeitlosen, beinahe mythischen Anstrich. Tarantinos Kameraarbeit nimmt sich Zeit für ungewöhnliche Einstellungen – vom intensiven Close-up auf Beatrix’ bebendes Gesicht im Sarg, nur beleuchtet durch das Feuerzeug, bis hin zur ikonischen Split-Diopter-Einstellung, die Beatrix im Vordergrund und Pai Meis zuckenden Bart im Hintergrund gleichzeitig scharf zeigt. Diese Spielereien beweisen Tarantinos ungebrochene Lust am Medium. Insgesamt wirkt die visuelle Gestaltung von Kill Bill: Vol. 2 stimmiger und zurückhaltender als im Vorgänger, was zum introspektiveren Ton des Films passt. Dennoch fehlen nicht die markanten Bildkompositionen, die sich ins Gedächtnis brennen – man denke nur an die staubige Hand, die sich aus dem Grab durch die Erde bohrt, als Beatrix buchstäblich ihrer eigenen Grabstätte entsteigt.

Leisere Töne mit schwächerem Nachhall

Ein Markenzeichen aller Tarantino-Filme ist der sorgfältig kuratierte Soundtrack – doch ausgerechnet hier schwächelt Kill Bill: Volume 2 etwas. Wo Volume 1 das Publikum mit sofort ikonischen Tracks wie „Bang Bang (My Baby Shot Me Down)“ oder dem energiegeladenen „Battle Without Honor or Humanity“ elektrisierte, setzt Vol. 2 auf sparsamere musikalische Begleitung. Tarantino greift zwar erneut auf seine Schatzkiste an obskuren Songs und Filmmusik zurück – etwa Ennio Morricones Stück “L’Arena”, das während Beatrix’ spektakulärer Auferstehung aus dem Grab erklingt und Gänsehaut bescheren soll. Dennoch bleibt der Soundtrack von Kill Bill 2 insgesamt weniger im Ohr. Die musikalische Untermalung ist stimmungsvoll und passend zu den Western- und Eastern-Anleihen gewählt (zum Beispiel der spanische Song „Tu Mirá“ von Lole y Manuel im Mexiko-Abschnitt, der eine schwermütige Atmosphäre schafft). Doch echte Ohrwürmer oder unvergessliche musikalische Momente, wie man sie aus Pulp Fiction oder Reservoir Dogs kennt, sind rar.

Auch im Sounddesign zeigt sich Volume 2 zurückhaltender. In einigen Schlüsselszenen dominiert bewusst die Stille: Als die Braut lebendig begraben wird, hören wir minutenlang fast nichts außer ihrem keuchenden Atem, dem Kratzen der Nägel am Holz des Sargs und dem dumpfen Hall ihrer verzweifelten Schläge – ein beklemmendes Klang-Erlebnis, das die klaustrophobische Angst greifbar macht. Solche Details beweisen zwar Tarantinos Gespür für akustische Wirkung, doch insgesamt tritt die Tonspur hier eher in den Hintergrund, um den Dialogen Raum zu geben. Wo Tarantino sonst Popmusik als ironischen Kontrapunkt zu Gewalt einsetzt, dominiert in Kill Bill: Vol. 2 oft die Geräuschkulisse der Wüste (das Zirpen von Grillen, der Wind) oder das Klingen der Samurai-Schwerter im Showdown mit Elle. Dieser Fokus auf Atmosphäre statt Hits macht die Klangwelt subtiler, aber eben auch weniger eingängig. Für einen Regisseur, der uns einige der kultigsten Soundtrack-Momente der Filmgeschichte schenkte, markiert Volume 2 in dieser Hinsicht tatsächlich einen Tiefpunkt – den vielleicht schwächsten Soundtrack im Tarantino-Universum.

Rache, Identität und Mythos

Obwohl Kill Bill: Volume 2 vordergründig ein Genre-Mashup aus Eastern und Western ist, verhandelt der Film einige Themen und Botschaften, die über die stilisierte Gewalt hinausweisen. Zentrales Thema bleibt natürlich die Rache. Tarantino zelebriert in Volume 2 erneut den Pfad der Vergeltung, den Beatrix beschreitet – doch anders als viele Rache-Thriller stellt der Film auch Fragen nach den Konsequenzen. Interessanterweise bekommt die Braut hier am Ende tatsächlich so etwas wie ein glückliches Ende: Ihre Mission ist erfüllt, und sie kann mit ihrer wiedergefundenen Tochter in den Sonnenaufgang starten. Damit umgeht Tarantino bewusst die übliche Leere, die in klassischen Rachegeschichten nach vollbrachter Tat oft folgt. Statt die Sinnlosigkeit von Gewalt zu betonen, entschädigt er seine Heldin mit einer zweiten Chance im Leben. Das mag weniger tiefgründig wirken als etwa die moralischen Grautöne eines Jackie Brown, doch es passt zum pulpigen, mythischen Ton des Kill-Bill-Duos: Beatrix wird zur sagenhaften Kämpferin, die alle Hindernisse überwindet und am Ende wie ein Westernheld in den Horizont reitet.

Ein weiteres Thema ist Identität. Beatrix’ Name selbst war in Volume 1 noch ein Geheimnis und wird erst in Vol. 2 enthüllt – ein spielerischer Umgang mit Identität und Mythos. Bills Superman-Monolog bringt es auf den Punkt: Beatrix musste ihre Rolle als Killerin („Superheldin“) annehmen, um ihre Rache zu vollenden, doch im Herzen war sie vielleicht immer auch die Frau, die einfach nur Frieden und Familie wollte. Der Film thematisiert diesen Zwiespalt: Kann ein Mensch sein altes Ich hinter sich lassen? Beatrix nennt sich zwischendurch „Arlene“ als Deckname, versucht ein normales Leben, doch am Ende muss sie sich ihrer Vergangenheit stellen, um eine Zukunft zu haben.

Mutterschaft spielt hier eine entscheidende Rolle – durch die Offenbarung, dass ihre Tochter B.B. lebt, wird das Thema Verantwortung und Fürsorge eingeführt. Beatrix’ Rache ist nicht mehr bloß Selbstzweck, sondern auch der Kampf einer Mutter um das Leben, das man ihr genommen hat. Der kurze Moment, in dem sie erkennt, dass B.B. am Leben ist, lässt all ihren Zorn mit einem Mal in ungläubige Freude umschlagen – ein seltener Augenblick echter Emotionalität in einem Tarantino-Film, der sonst eher coolen Zynismus versprüht.

Auch der Mythos von Kung-Fu- und Western-Helden wird thematisiert. Pai Mei erscheint beinahe wie eine Legende, eine Märchengestalt, die übermenschliche Fähigkeiten lehrt (die Technik der „Fünf-Punkte-Pressur-Herzexplosion“ ist schließlich pure Mythologie). Tarantino bewegt sich hier in einem bewussten Spannungsfeld zwischen überhöhter Fiktion und menschlicher Realität. Die Figuren in Kill Bill: Vol. 2 sind zugleich Menschen aus Fleisch und Blut, die bluten und weinen, und archetypische Figuren einer Revenge-Saga. Dieser Spagat ist faszinierend: Der Film feiert den Mythos der unaufhaltsamen Rächerin, räumt seiner Heldin aber trotzdem Verletzlichkeit ein. Allerdings könnte man kritisieren, dass Tarantino die dunklen Seiten der Rache – etwa wie Gewalt einen Charakter deformiert oder wie Rache keinen verlorenen Seelenfrieden zurückbringt – nur anreißt, aber nicht vertieft. Statt einer Moral liefert er lieber einen stilvollen Abgesang auf das Genre selbst.

Großes Kino im Kleinen

Die Darsteller tragen wesentlich dazu bei, dass Kill Bill: Volume 2 trotz reduzierter Action fesselt. Uma Thurman liefert in der Rolle der The Bride erneut eine physisch wie emotional beeindruckende Performance. Sie verkörpert die brachiale Entschlossenheit einer Frau auf Rachefeldzug, lässt aber insbesondere in den leisen Momenten tiefe Verletzlichkeit aufblitzen – etwa wenn ihr in Bills Anwesen Tränen der Erleichterung und des Schmerzes kommen, während sie mit ihrer Tochter im Bad sitzt. Thurmans Präsenz trägt den Film; man nimmt ihr sowohl die eiskalte Killerin als auch die erschöpfte Mutter ab.

David Carradine als Bill verleiht dem titelgebenden Widersacher gravitätische Ruhe und subtile Gefährlichkeit. Carradine, einst selbst ein ikonischer Kung-Fu-Serienheld, spielt Bill mit eleganter Gelassenheit und unterschwelliger Bedrohlichkeit. Jede seiner Szenen – so spärlich sie über den Film verteilt sind – hat Gewicht. Wenn Bill sanft auf seiner Flöte spielt (eine Anspielung auf Carradines Rolle in der Serie Kung Fu), dann schwingt darin Wehmut mit; und wenn er seine monologischen Weisheiten zum Besten gibt, lauscht man gebannt. Er schafft es, dass Bill trotz aller Untaten nicht als reiner Bösewicht erscheint, sondern als fehlgeleiteter Romantiker mit Revolver und Samurai-Schwert.

Im Nebencast sticht Michael Madsen hervor, der Budd eine abgetakelte Würde gibt. Madsen, bekannt aus Reservoir Dogs, verleiht Budd Trägheit und Bitterkeit; man spürt die Lebensmüdigkeit dieses Ex-Killers, der längst aufgegeben hat, irgendetwas aus seinem Leben zu machen. Daryl Hannah übertreibt herrlich in der Rolle der einäugigen Elle Driver – genau richtig für Tarantinos überstilisiertes Universum. Sie faucht, schreit und schwingt ihr Schwert mit diabolischer Inbrunst, sodass man ihr den Platz im Pantheon von Tarantinos denkwürdigen Schurken gerne zugesteht. Wenn Elle wutentbrannt im Blindflug durch Budds Trailer randaliert, nachdem sie ein Auge verloren hat, changiert Hannah virtuos zwischen gefährlich und peinlich-komisch – typisch Tarantino, der seinen Bösewichten auch Momente der schwarzen Komik gönnt.

Nicht zu vergessen Gordon Liu als Pai Mei: Obwohl unter schwerem Makeup fast nicht erkennbar, drückt er dem Film seinen Stempel auf. Mit funkelnden Augen und sarkastischem Lachen porträtiert er den alten Meister so lebendig, als wäre er direkt einem Shaw-Brothers-Klassiker entsprungen. Seine Chemie mit Thurman stimmt; man kauft ihnen das harte Meister-Schüler-Verhältnis ab, was entscheidend ist, damit wir glauben, dass Beatrix diese unglaublichen Fähigkeiten erlernt hat.

Insgesamt glänzt Kill Bill: Volume 2 mit einem Ensemble, das Tarantinos stilisierte Dialoge mit Verve zum Leben erweckt. Selbst kleinste Rollen – etwa Michael Parks als gealterter mexikanischer Zuhälter Esteban Vihaio, den Beatrix aufsucht – bleiben im Gedächtnis, weil die Schauspieler sie so genüsslich ausgestalten. Diese starken schauspielerischen Leistungen fangen die Aufmerksamkeit der Zuschauer auch in den ruhigeren Passagen ein.

Zwischen alter Stärke und neuen Schwächen

Quentin Tarantinos Handschrift ist auch in Volume 2 unverkennbar. Nach dem kühnen Cliffhanger von Kill Bill: Vol. 1 knüpft er stilistisch an, wagt aber auch einen Richtungswechsel. Seine typische Kapitelstruktur, die Mischung aus temporeichen und ruhigen Passagen, verspielte Dialoge voller Popkultur-Referenzen – all das ist wieder da. Gleichzeitig wirkt Tarantino hier reflexiver als gewohnt. Er gönnt sich Momente, in denen er die eigene Geschichte atmen lässt, fast als hätte er nach dem Adrenalinschub des ersten Teils selbst Luft holen müssen. Das Resultat ist zwiespältig: Einerseits zeigt Tarantino mit Vol. 2, dass er mehr kann als blutige Schauwerte – nämlich Spannung durch Dialog und minimalistische Szenarien erzeugen. Andererseits schleichen sich Schwächen ein, die man vom sonst so pointierten Erzähler weniger kennt. Einige Szenen wirken unnötig in die Länge gezogen (Budd im Stripclub, oder das ausgedehnte Gespräch mit Esteban Vihaio, das zwar stimmungsvoll ist, aber die Handlung kaum voranbringt). Hier spürt man die Selbstverliebtheit eines Regisseurs, der sich gerne in seinen eigenen skurrilen Nebenfiguren und Abschweifungen verliert.

Dennoch blitzt Tarantinos Genie immer wieder auf. Die Rückblenden-Struktur ist geschickt eingesetzt, um die Vorgeschichte nachzureichen und Spannung zu halten. Sein Händchen für Dialog erreicht im Showdown ein Highlight: Das finale Gespräch zwischen Beatrix und Bill – mit der bereits erwähnten Superhelden-Analyse – ist pures Tarantino-Gold, auf andere Weise spektakulär als ein Schwertkampf es gewesen wäre. Statt einem bombastischen Gefecht gibt es leise Worte und einen plötzlichen, fast anti-klimaktischen Endschlag mit der geheimnisvollen Technik, die Beatrix von Pai Mei lernte. Dieser Bruch mit Erwartungshaltungen zeigt Tarantinos Mut, auch mal antizyklisch zu erzählen.

Regie-technisch sieht man in Kill Bill: Volume 2 auch Tarantinos Vorlieben in voller Blüte: die Liebe zum Detail (jeder Klingelton, jeder Gegenstand – etwa das rote Markierungsspray für die Todesliste – ist mit Bedacht gewählt), die Verbeugungen vor seinen Idolen (von Brian De Palmas Split-Screen bis hin zu Leones Suspense-Techniken) und natürlich sein Faible für Füße und Popkultur (man beachte, wie oft Beatrix’ Füße in den Fokus rücken, oder wie eine TV-Sendung im Hintergrund läuft, während B.B. von ihrer Goldfisch-Philosophie erzählt). Es ist diese einzigartige Mischung aus filmhistorischer Hommage und eigenem Stil, die Tarantinos Regiehandschrift ausmacht. In Volume 2 erweitert er sein Spektrum um gemächlichere Töne, riskiert aber auch Längen.

Im Schatten größerer Brüder

Im Vergleich mit anderen Filmen von Quentin Tarantino nimmt Kill Bill: Volume 2 eine eher ungewöhnliche Position ein. Tarantinos Œuvre ist geprägt von Kultfilmen: Pulp Fiction (1994) revolutionierte das Independent-Kino mit non-linearer Erzählung und ikonischem Coolness-Faktor; Jackie Brown (1997) bewies Tarantinos Talent für tiefenentspannte, dialoggetriebene Kriminalgeschichten; Kill Bill: Vol. 1 (2003) entfachte ein stilistisches Feuerwerk aus Samurai-Action, Anime-Sequenz und Exploitation-Hommage, das viele Fans begeisterte. Dagegen wirkte Volume 2 auf viele im ersten Moment anti-klimaktisch – gerade weil es bewusst nicht versucht, Vol. 1 in Sachen Action zu übertrumpfen, sondern einen anderen Weg geht. Dieser mutige Bruch wurde von manchem Kritiker als schwächeres Sequel ausgelegt, während andere ihn als notwendige Ergänzung feierten, die dem Gesamtwerk emotionalen Tiefgang verleiht.

Für mich als Tarantino-Enthusiasten stellt Volume 2 sogar einen Ausreißer nach unten dar: Es ist tatsächlich der einzige Tarantino-Film, den ich nicht liebe, sondern „nur“ mag. Selbst der oft unterschätzte Death Proof (2007), Tarantinos Grindhouse-Experiment, besitzt für mich noch mehr kompromisslosen Stilwillen und Witz. Inglourious Basterds (2009) und Django Unchained (2012) wiederum zeigen, wie Tarantino aus ruhigeren, dialogreicheren Szenen immense Spannung ziehen kann – eine Qualität, die Vol. 2 zwar anstrebt, aber nicht immer vollständig erreicht. Natürlich liegt es auch an der Erwartungshaltung: Nach der popkulturellen Wucht von Pulp Fiction oder der frischen Unverbrauchtheit von Reservoir Dogs (1992) erscheint Kill Bill: Volume 2 im Rückblick als ein sehr spezielles Puzzlestück in Tarantinos Filmografie. Es setzt die Rache-Saga stilvoll zu Ende, reicht aber weder an die kultige Verspieltheit von Vol. 1 noch an die erzählerische Brillanz eines Pulp Fiction heran.

Nichtsdestotrotz fügt sich Volume 2 nahtlos in Tarantinos Universum der cineastischen Zitate und der starken Frauenfiguren ein. Man erkennt in Beatrix Kiddo Spuren von Pam Griers Jackie Brown in Sachen Stärke und Eigenständigkeit, auch wenn Kill Bill inhaltlich eine ganz andere Tonalität hat. Und der zweigeteilte Rachefeldzug der Braut bleibt unvergessen – eine moderne Mischung aus Lady Snowblood und Italo-Western, die es so vorher nicht gab. Im Gesamtvergleich würde man Kill Bill: Volume 2 vielleicht im Mittelfeld ansiedeln: ein solider Tarantino, der jedoch im Schatten seiner genialeren Geschwister steht.

Fazit

Mit Kill Bill: Volume 2 liefert Quentin Tarantino den fulminanten Abschluss seiner Zweiteiler-Saga – allerdings einen Abschluss der unkonventionellen Art. Der Film ist langsamer, dialogreicher und nachdenklicher als erwartet, was ihm sowohl Stärke als auch Schwäche verleiht. Einerseits brilliert Tarantino mit großartigen Figurenzeichnungen, schillernden Dialogen und meisterhaften Spannungsmomenten abseits der reinen Action. Andererseits fehlt Volume 2 etwas von dem unwiderstehlichen Drive und der Coolness, die seine besten Filme auszeichnen.

Als eigenständiges Werk betrachtet, ist Kill Bill: Volume 2 immer noch großes Kino – durchzogen von filmhistorischer Finesse, getragen von einer fantastisch agierenden Uma Thurman und gekrönt von einem denkwürdigen Showdown der leisen Töne. Doch im Pantheon der Tarantino-Meisterwerke rangiert dieser Film eher auf den hinteren Plätzen. Er ist für Tarantino-Verhältnisse „nur“ gut, wo viele seiner anderen Filme herausragend sind. Oder um es persönlich zu sagen: Es ist der einzige Tarantino-Film, den ich nicht liebe, sondern nur mag. Damit bleibt Kill Bill: Volume 2 ein faszinierendes, aber auch etwas zwiespältiges Kapitel in Quentin Tarantinos Schaffen – ein Film für Genießer seines Stils, dem zur absoluten Größe jedoch ein Quäntchen der üblichen Tarantino-Magie fehlt.

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