Jurassic, Marvel, Reboots: Was die Daten zeigen und was dich noch überrascht

1. Warner Bros.’ Erfolgsserie 2025 und der Franchise-Boom

Warner Bros. hat im Sommer 2025 Geschichte geschrieben: Zum sechsten Mal in Folge brachte das Studio einen Film an den Start, der über 40 Millionen US-Dollar am ersten Wochenende einspielte. Diese bemerkenswerte Serie – von A Minecraft Movie über Sinners und Final Destination: Bloodlines bis Superman – unterstreicht, wie sehr große Studios mittlerweile auf bereits etablierte Marken setzen. Sechs Blockbuster hintereinander, alle mit kräftigem Start – das gab’s noch nie. Und es zeigt dir: Diese Filme basieren fast alle auf bekannten Franchise-Welten. Warner Bros. konnte so Woche für Woche Massen ins Kino ziehen, weil das Publikum bekannte Universen liebt – sei es DCs Superman, das Minecraft-Videospiel oder ein Horror-Sequel wie Final Destination. Ein „Original“-Film wie Zach Creggers Horror Weapons profitierte vom Appetit der Zuschauer auf etwas Neues zwischen all den Fortsetzungen – und überraschte mit 42,5 Mio $ zum Start , obwohl er kein Teil einer Serie war. Diese Mischung aus Altbewährtem und gelegentlich Neuem beschreibt ziemlich gut die aktuelle Hollywood-Landschaft. Ich möchte dich in diesem Essay mitnehmen durch die Zahlen und Gründe hinter diesem Trend – und dir auch einen Weg aufzeigen, wie du als Kreativer trotzdem originelle Ideen entwickeln kannst.

2. Datenlage: Franchise-Anteil an Top-10-Filmen seit 2000

Schauen wir zuerst nüchtern auf die Daten. Seit der Jahrtausendwende hat sich der Anteil der Franchise-Filme an den jährlichen Top-10-Kassenschlagern drastisch erhöht. Anfang der 2000er waren in den Top-10-Listen der Jahrescharts vielleicht zwei bis fünf Filme Sequels oder Remakes – grob 20–50 %. Heute hingegen dominieren Fortsetzungen das Feld fast komplett. In manchen Jahren bestand die gesamte Top 10 aus Fortsetzungen, Prequels oder Reboots bekannter Marken. 2019 zum Beispiel war kein einziger der zehn umsatzstärksten Filme ein origineller Stoff (es sei denn, man zählt den Joker-Film als originell, obwohl die Figur natürlich bekannt war). Im Schnitt der Jahre 2010–2019 lag der Franchise-Anteil ständig über 50 %.

Es ging etwa ab 2010 steil nach oben mit dem Franchise-Anteil. Waren 2000 noch ca. 20 % der Top-Filme Teile einer bestehenden Serie, so waren es 2010 schon rund 60 %, 2015 um 80 % und 2019 eben nahezu 100 %. Der kleine Knick 2020 (Pandemie-bedingt) änderte am Gesamtbild wenig. Hollywood setzt heute so stark auf bekannte Filmsequels und Co. wie nie zuvor. Eine Auswertung von Yahoo Finance brachte es kürzlich auf den Punkt: Von den Top 60 Kinohits der Jahre 2016–2021 waren nur 5 Filme „wirklich originell“, der Rest gehörte zu bestehenden Franchise-IPs. Das ist schon krass, oder? Natürlich stellt sich die Frage: Warum ist das so?

Diese Übersicht ist natürlich nur so genau wie die Definitionsentscheidung – manchmal verschwimmt die Grenze (ist z.B. Barbie (2023) ein Originalfilm oder schon ein Franchise-Produkt, da auf einer Spielzeugmarke basierend?). Aber im Großen und Ganzen bestätigt sie den Eindruck: Sequels stellen inzwischen den Löwenanteil der erfolgreichen Filme. Prequels kommen gelegentlich vor – etwa die Star Wars-Vorgeschichten um 2000 oder Der Hobbit 2012–2014 – sind aber deutlich weniger zahlreich als direkte Fortsetzungen. Reboots hatten Mitte der 2000er ihre Hochzeit (Stichwort: Remake-Welle von King Kong bis Casino Royale), sind aber zuletzt seltener geworden , weil die Studios lieber endlose Fortsetzungen im selben Universum drehen als riskante Neustarts. Unterm Strich schrumpfte der Platz für Originalfilme drastisch. Sie machten um 2000 noch etwa die Hälfte der Top-10 aus – heute musst du sie mit der Lupe suchen.

3. Sequels, Prequels, Reboots: Begriffe und Trends (2000–2025)

Bevor wir tiefer einsteigen, lass uns kurz klären, was genau mit Sequels, Prequels und Reboots gemeint ist – und ein paar Beispiele aus den Jahren 2000 bis 2025 betrachten. Du wirst sehen, wie rasant die Zahl solcher Filme zugenommen hat.

  • Sequels – das sind direkte Fortsetzungen eines bereits bestehenden Films. Sie knüpfen an die Handlung oder Figuren an. Mission: Impossible II (2000) zum Beispiel war ein klassisches Sequel, das den Erfolg von Teil 1 fortführen sollte. In den frühen 2000ern war es noch bemerkenswert, wenn ein Jahr gleich mehrere Sequels in den Charts hatte. 2001 etwa gehörten Rush Hour 2, Die Mumie kehrt zurück, Jurassic Park III und American Pie 2 alle zur Top 10 – vier Sequels in einem Jahr, das war damals schon auffällig. Heutzutage ist es fast umgekehrt: 2022 bestanden die Top 10 der Welt-Kinocharts vollständig aus Sequels oder Reihenfilmen (von Avatar 2 über Top Gun 2 bis Black Panther 2). Sequels sind zum Rückgrat der Branche geworden.

  • Prequels – das sind Vorläufer-Geschichten, die zeitlich vor einem existierenden Film spielen, aber nachträglich produziert werden. Ein frühes Beispiel ist Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung (1999). In den 2000ern waren Prequels noch relativ selten (George Lucas’ Star-Wars-Prequeltrilogie stach heraus). In den 2010ern kamen mehr dazu, etwa Der Hobbit (2012) als Prequel zur Herr der Ringe-Trilogie oder Phantastische Tierwesen (2016) als Harry-Potter-Prequelreihe. Auch Animationshits wie Monsters University (2013) zählen dazu. Allerdings: Prequels bleiben zahlenmäßig hinter Sequels zurück. Sie machen oft nur Sinn, wenn es in der Story überhaupt lohnende Vorgeschichten gibt. Die Daten zeigen entsprechend geringe gelbe Balken in den meisten Jahren (maximal 1–2 Prequels pro Jahr unter den Top 10, wenn überhaupt).

  • Reboots – damit bezeichnet man eine Neustart-Version einer bekannten Marke oder Reihe, meist mit neuen Schauspielern und eigenständiger Kontinuität, losgelöst von früheren Filmen. Ein Reboot will eine Franchise „auffrischen“ oder für ein neues Publikum neu auflegen. Beispiele: Batman Begins (2005) war ein Reboot der Batman-Filmreihe nach den 90ern; Casino Royale (2006) rebootete James Bond mit Daniel Craig; Star Trek (2009) startete die Enterprise-Crew neu. In den späten 2000ern und frühen 2010ern gab es einige prominente Reboots (Planet der Affen: Prevolution 2011, The Amazing Spider-Man 2012, Jurassic World 2015 als Soft-Reboot von Jurassic Park). Aber interessanterweise ist der Trend der Reboots rückläufig: In den 2020ern versuchen Studios eher, im selben „Cinematic Universe“ weiterzuerzählen, statt den Reset-Knopf zu drücken. Reboots sieht man heute vor allem in Form von „Legacy Sequels“ – also Fortsetzungen, die gleichzeitig als Neustart fungieren, z.B. Ghostbusters: Legacy (2021) oder Top Gun: Maverick (2022) – diese setzen zwar die Story fort, bauen aber auch eine Brücke zu neuer Generation. Reine Reboots dagegen (komplett neuer Ansatz) sind seltener geworden. Trotzdem erleben wir 2025 mit The Naked Gun (siehe unten) ein Beispiel, wie ein 30 Jahre altes Comedy-Franchise via Reboot zurückgebracht wird – sogar in einem Genre (Slapstick-Komödie), wo man Reboots kaum vermuten würde.

Schauen wir uns exemplarisch drei Jahre an – 2005, 2015 und 2025 – um die Entwicklung zu verdeutlichen:

  • Top-Filme 2005: In diesem Jahr liefen viele Fortsetzungen, aber auch Originalstoffe gut. Die weltweiten Top 10 umfassten z.B. Harry Potter und der Feuerkelch (4. Teil, Sequel), Star Wars: Episode III (Prequel), dazu aber auch Die Chroniken von Narnia (erster Film einer Buchadaption, noch kein Sequel), Steven Spielbergs Krieg der Welten (Remake eines 50er-Jahre-Films, also Reboot), Peter Jacksons King Kong (ebenfalls Remake), Madagascar (Original-Animation) etc. Insgesamt waren ~60 % der Top 10 Franchise-Filme. Reboots/Remakes (Kong, Krieg der Welten) hatten in diesem Jahr Hochkonjunktur, Sequels waren mit Potter und Star Wars vertreten, Prequels durch Star Wars auch – aber immer noch mischten sich einige originelle Hits darunter.

  • Top-Filme 2015: Zehn Jahre später sah das Bild schon anders aus. 2015 war das Jahr von Star Wars: Das Erwachen der Macht – technisch ein Sequel (Episode VII), gefühlt aber auch ein halber Reboot der Saga für eine neue Generation. Jurassic World führte die Dino-Saga fort (auch hier: irgendwie Sequel und Soft-Reboot zugleich). Avengers: Age of Ultron, Fast & Furious 7, Mission: Impossible – Rogue Nation, Spectre – ein großer Hit nach dem anderen war Teil einer bestehenden Reihe. Selbst Animationsfilme wie Minions oder Alles steht Kopf (der einzige wirklich originelle Pixar-Film des Jahres) waren rar gesät. Original-Stoffe hatten es schwer, an den Kinokassen mitzuhalten. Das Franchise-Kino dominierte mit rund 70–80 % Anteil.

  • Top-Filme 2025 (Ausblick): Wenn wir auf dieses Jahr schauen, setzt sich der Trend fort. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass 2025s erfolgreichste Filme größtenteils Sequels oder bekannte IPs sein werden. Jurassic World: Rebirth als großes Sommer-Event (siehe Fallstudie gleich), diverse Marvel-Filme 2025 (Captain America, Deadpool 3 etc.), weitere DC-Verfilmungen wie Superman: Legacy, der Naked Gun-Reboot im Comedy-Bereich – all das füllt die Startlisten. Es gibt zwar auch originelle Projekte (etwa Zack Snyders Sci-Fi-Film Rebel Moon oder kleinere Horror-Originale), aber ob die es in die Jahres-Top-10 schaffen, ist ungewiss. Nach heutigem Stand werden wieder um die 90 % der Top-Filme zu bekannten Marken gehören.

Unterm Strich hat sich Hollywood also in 25 Jahren von einer Mischung aus Fortsetzungen und neuen Stoffen hin zu einem fast reinen Franchise-Business entwickelt. Für Filmschaffende ist das natürlich ein zweischneidiges Schwert: Einerseits gibt es viele Aufträge, um existierende Welten weiterzuspinnen – andererseits wird es schwerer, mit einem ganz neuen Stoff durchzudringen. Doch warum fahren die Studios diese Strategie so konsequent? Die Antwort: Es geht um Geld, Sicherheit und den globalen Markt.

4. Fallstudien 2025: Reboot, Sequel & Co. in der Praxis

Schauen wir uns drei konkrete Beispiele aus dem Jahr 2025 an – jedes steht exemplarisch für eine Spielart des aktuellen Franchise-Trends. Wir haben einen waschechten Reboot, eine lang erwartete Sequel-Fortsetzung und das Dauerphänomen Marvel:

  • The Naked Gun (2025)Die nackte Kanone kehrt zurück! Wenn du die Originale kennst: In den späten 80ern/ frühen 90ern parodierte Leslie Nielsen als trotteliger Lieutenant Frank Drebin alles, was das Cop-Genre hergab. Drei Filme lang hielten sich Bauchmuskeln und Box Office die Waage. 2025 wagt Paramount nun einen Reboot dieser Kult-Komödienreihe. Liam Neeson übernimmt (wohl als Frank Drebins Sohn) den trockenen Humorpart , Regie führt Akiva Schaffer (The Lonely Island). Der Ansatz: Der neue Naked Gun soll dem Geist des Originals treu bleiben (Slapstick, Wortspiele, Anspielungen), aber heutigen Zuschauern gerecht werden. Interessant ist hier vor allem: Dieses Genre (Slapstick-Parodie) galt eigentlich als „ausgestorben“. Warum also ein Reboot? Offenbar vertraut Paramount darauf, dass der Wiedererkennungswert der Marke – viele erinnern sich mit Nostalgie an Drebin & Co. – den Film trägt. Zudem ist Comedy vergleichsweise günstig zu produzieren. Während die genauen Zahlen nicht veröffentlicht sind, dürfte The Naked Gun (2025) ein moderates Budget haben (vielleicht 50–70 Mio $, viel weniger als ein Action-Blockbuster). Wenn er ein paar hundert Millionen einspielt, wäre das schon ein Gewinn. Der Reboot hat also ein attraktives Chance-Risiko-Verhältnis aus Studiosicht: bekannte IP + überschaubare Kosten. Und Hand aufs Herz: Ein bisschen freut man sich ja doch auf Liam Neeson in einer ungewohnt albernen Rolle, oder? Dieser Film zeigt, wie selbst Nischen-IP wiederbelebt werden, um im Fahrwasser von Franchise-Mania mitzuschwimmen.

  • Jurassic World: Rebirth (2025) – Das Kontrastprogramm: Hier haben wir ein waschechtes Mega-Sequel mit Riesenbudget. Jurassic World: Rebirth ist bereits der 7. Film der Dino-Saga (der vierte in der neueren Jurassic World-Linie). Universal fährt hier schwere Geschütze auf: Regie führt Gareth Edwards, in den Hauptrollen Scarlett Johansson und Mahershala Ali – man merkt, das Studio will neuen Schwung nach dem etwas lauwarm aufgenommenen Jurassic World: Dominion (2022). Die Story führt die prähistorischen Echsen in eine neue Ära (die Welt hat sich an freilaufende Dinos gewöhnt, nur am Äquator können sie noch überleben – und natürlich gerät eine Expedition außer Kontrolle). Klingt nach Popcorn und bewährter Formel. Das Budget liegt Berichten zufolge bei gewaltigen 180–225 Mio $ und für die globale Vermarktung gingen sicher nochmals hohe Summen drauf. Aber: Universal kann das riskieren, weil die Marke seit 30 Jahren zieht. Selbst mit gemischten Kritiken hat Rebirth in wenigen Wochen weltweit rund 800 Mio $ umgesetzt – kein Rekord, aber bombensolide. Damit ist er schon jetzt unter den umsatzstärksten Filmen 2025. Dieses Sequel verdeutlicht den finanziellen Motor hinter Franchise-Filmen: Die Investition ist riesig, aber der erwartete Return eben auch. Es gibt eine eingebaute Fanbase über Generationen; selbst in Märkten wie China, wo Originalgeschichten manchmal schwer haben, rennt man ins Kino, wenn das Jurassic-Logo draufsteht. Das Risiko eines Flops ist geringer als bei einem komplett neuen Stoff, weil man auf 30 Jahre Markenkapital bauen kann. Und selbst wenn die Kreativität etwas auf der Strecke bleiben mag (auch ich denke manchmal: „Schon wieder Dinos entkommen? Haben wir doch gesehen…“), das Publikum liebt es offenbar nach wie vor. Jurassic World: Rebirth steht dafür, wie Studios mit Sequels auf Nummer sicher gehen – und im Zweifel lieber den x-ten Aufguss einer IP machen, als etwas völlig Neues zu versuchen.

  • Marvel-Filme 2025 (Captain America: Brave New World) – Kein Essay über Sequels ohne Marvel, oder? Die Marvel Cinematic Universe (MCU) Reihe ist praktisch das Paradebeispiel, wie man mit einem fortlaufenden Serien-Konzept Film für Film Milliarden scheffelt. 2025 bringt Marvel u.a. Captain America: Brave New World in die Kinos – den vierten Cap-Film, diesmal mit Sam Wilson (Anthony Mackie) als neuem Cap. Es ist Film Nr. 35 des MCU. Man könnte sagen, Marvel hat das Serienformat auf Kinogröße gehoben – jeder Film baut auf dem vorherigen auf, Charaktere wandern zwischen den Filmen hin und her, es gibt Phasen und große „Story-Arc“-Finale. Für Drehbuchautor:innen ist das Fluch und Segen: Einerseits gibt es viele Jobs (all die Serien und Filme wollen geschrieben werden), andererseits bewegt man sich in engen vorgegebenen Bahnen des Marvel-Kosmos. Captain America: Brave New World zum Beispiel knüpft an die Disney+-Serie The Falcon and the Winter Soldier an und muss schon wieder das nächste Crossover vorbereiten. Der Film hatte ein Budget um die 180 Mio $ und spielte bisher rund 415 Mio $ ein – für Marvel-Verhältnisse fast enttäuschend, aber immer noch profitabel. Die Marvel-Erfolgsformel zeigt, wie international Franchises gedacht werden: Diese Filme laufen von den USA über Europa bis Asien überall, weil die Figuren global bekannt sind. Marvel nutzt synergetisch die Comic-Vorlagen (Marken-IP seit Jahrzehnten), investiert immens ins VFX-Spektakel und die Werbung – und bekommt dafür zuverlässige Einnahmen zurück. Allerdings spürt man hier auch die ersten Zeichen von Franchise-Müdigkeit: Die Einspielergebnisse stagnieren oder sinken, wenn nicht gerade ein No Way Home oder Avengers auf dem Plan steht. Marvel wird 2025/26 testen müssen, wie weit sich ihr Serien-Konzept noch tragen lässt, bevor die Zuschauer Übersättigung empfinden. Doch bislang ist es das Nonplusultra-Beispiel, warum Hollywood so auf Sequels setzt: Es zeigt das Geld – laufend, planbar, scheinbar endlos.

Diese drei Beispiele – ein Reboot einer Oldschool-Komödie, ein Big-Budget-Sequel einer Abenteuerreihe und die fortlaufende Marvel-Saga – illustrieren, wie unterschiedlich die Ausprägungen sein können, aber wie einig sich die Studios in der Grundstrategie sind: Bekanntes verkauft sich besser als Unbekanntes. Die Zahlen geben ihnen (noch) Recht. Doch wie sieht die ökonomische Logik dahinter genau aus? Das schauen wir uns im nächsten Abschnitt an.

5. Warum Studios auf Sequels setzen: Risiko, Kosten und globale Märkte

Warum produziert Hollywood so viele Sequels?“ – Die kurze Antwort lautet: Weil Sequels ihnen das meiste Geld einspielen. Doch was steckt alles dahinter? Lass uns das in Ruhe durchgehen, denn es ist ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren:

a) Risikominimierung: Filmproduktionen sind teuer und riskant. Ein einziger Flop kann ein Studio hunderte Millionen kosten. Daher lieben Studios alles, was das Risiko senkt. Fortsetzungen basieren auf einem Film, der bereits bewiesen hat, dass das Konzept funktioniert. Das Publikum kennt die Marke, man weiß, dass eine Nachfrage da ist. Die Erfolgschance eines Sequels wird als höher eingeschätzt als die eines unbekannten Originals. Ein Finanzanalyst würde sagen: Sequels sind die „Blue Chips“ im Filmportfolio, Originalstoffe eher die spekulativen Startups. Ein drastisches Beispiel: 2022 floppten originelle Animationsfilme wie Strange World oder Lightyear (obwohl letzterer auf Toy Story basierte, aber eben ohne Woody&Buzz) – während Fortsetzungen wie Minions 2 oder Puss in Boots 2 das Vielfache einspielten. Die Studio-Bosse denken sich: Warum das Geld in etwas Ungewisses stecken, wenn wir mit Teil 5 oder 6 fast garantiert unser Investment zurückbekommen? Diese Denke hat sich verfestigt. Die Folge: Originelle Drehbücher kommen heute viel schwerer an grünes Licht, außer es ist „Oscar-Material“ mit überschaubarem Budget oder von einem namhaften Regisseur.

b) Marketing- und Markenpower: Der wohl unterschätzteste Vorteil von Franchise-Filmen ist das Marketing. Stell dir vor, du vermarktest einen völlig neuen Film – du musst bei Null anfangen, den Leuten erklären, worum es geht, Interesse wecken, Vertrauen aufbauen. Bei einem bekannten Titel entfallen 50 % dieser Arbeit: Jeder kennt z.B. Fast & Furious, man muss nur den nächsten Teilnummer dranhängen. Die Marke zieht von allein. Das spart immense Werbekosten beziehungsweise macht die eingesetzte Werbung effizienter („bang for the buck“). Ein Marvel-Logo oder ein Star Wars-Theme im Trailer erzeugt beim Publikum sofort Aufmerksamkeit – diese IP hat kulturelles Kapital. Deshalb bauen viele Studios jetzt sogar Cinematic Universes auf (Conjuring-Universum, MonsterVerse, DC Universe etc.), um einen gemeinsamen Markenrahmen zu schaffen, der das Marketing für alle zukünftigen Teile erleichtert. Zudem lässt sich Merchandising und crossmediales Marketing (Spiele, Serien, Freizeitparks) mit bekannten IP viel besser betreiben. Kurz: IP ist Gold wert. Kein Wunder, dass große Medienkonzerne Milliarden dafür ausgeben (Disney kaufte Marvel und Lucasfilm, Comcast kaufte DreamWorks Animation usw.). Die Content-Strategie lautet dann: Produziere laufend Inhalte aus diesem IP-Pool, um die Marken präsent zu halten und ständig zu monetarisieren.

c) Hohe Produktionskosten verlangen hohe Erfolgschancen: Die Blockbuster-Budgets sind in schwindelerregende Höhen gestiegen. Heutige Eventfilme kosten gerne 150–300 Mio $ (vor Marketing). So viel Geld bekommt nur, wer es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wieder einspielt. Originalstoffe bekommen selten solche Budgets – verständlich, denn wer würde 200 Mio $ auf eine völlig neue Idee setzen, wenn daneben ein erprobtes Franchise für denselben Preis zu haben ist? Das führt zu einer Art Teufelskreis: Teure Produktionen müssen Franchise sein (wegen Erfolgsaussicht), und billigere Produktionen haben es schwer, im Kino herauszustechen (wegen Marketing-Power der großen Marken). Also dominieren die teuren Franchise-Filme die Wahrnehmung. Außerdem hat sich das Kinogeschäft internationalisiert: Nordamerika macht oft nur ~30–40 % vom Box Office aus, der Rest kommt aus aller Welt. Um in China, Europa, Südamerika gleichermaßen zu punkten, sind bekannte „Weltmarken“ ideal. Ein origineller Film über, sagen wir, einen deutschen U-Boot-Kapitän im Ersten Weltkrieg mag super sein, aber wird er in Asien viele Millionen Leute ins Kino locken? Unsicher. Ein neuer Transformers-Film hingegen: überall bekannt. Gerade in internationalen Märkten wie China oder Russland neigt das Publikum noch stärker zu Spektakel und bekannten Titeln, da oft der Zugang zu westlichen Medien limitiert war und man sich auf große bekannte Namen konzentriert. Für Hollywood-Studios sind diese Märkte aber entscheidend für die Rentabilität. Also produziert man, was global ankommt: Action, Effekte, Marken, Fortsetzungen – Dialog und Kultur werden zweitrangig. Das fördert natürlich auch den Sequel-Boom.

d) Planbarkeit und Auswertungskette: Sequels ermöglichen eine längerfristige Planung. Studios schließen mit Stars Mehrfach-Verträge ab, blocken Release-Termine Jahre im Voraus („2028 kommt Avatar 5“ etc.). Das gibt Planungssicherheit und Kalkulierbarkeit für Investoren. Zudem bleiben Filmreihen in der Auswertung (Heimkino, Streaming) länger relevant – das alte „Backkatalog“-Geschäft. Wer z.B. 2022 Top Gun: Maverick sieht, schaut vielleicht anschließend den ersten Teil nochmal (mehr Umsatz mit älteren Titeln!). Serienwelten wie Marvel halten die Fans kontinuierlich bei der Stange mit neuen Inhalten, was Abonnements von Disney+ antreibt. Originalfilme haben da oft ein kürzeres „Shelf Life“. Sie kommen, begeistern vielleicht, aber dann gibt es nichts Weiteres aus dieser Welt – außer man macht wiederum ein Sequel draus.

All diese wirtschaftlichen Erwägungen tragen dazu bei, dass Hollywood auf bewährte Marken setzt. Es ist ein bisschen wie in der Landwirtschaft: Warum jedes Jahr ein neues riskantes Saatgut ausprobieren, wenn der Hybrid-Mais doch zuverlässig wächst? Die Studios optimieren auf kalkulierbaren Profit. Oder wie Variety es einmal humorvoll formulierte: „Hollywood ist nicht ideenlos, es ist nur allergisch gegen unnötige Risiken.“

Natürlich darf man nicht vergessen, dass hinter Studios auch Aktionäre stehen, Quartalszahlen, Druck von oben. Wenn eine Formel funktioniert, wird sie repetiert. Und aktuell heißt die Erfolgsformel: Nostalgie + Kontinuität = Kassenerfolg. Das Publikum belohnt es ja tatsächlich, indem es immer wieder einschaltet (wir alle sind ja auch Fans der einen oder anderen Reihe, seien wir ehrlich).

Aber – und jetzt kommt das große Aber – diese Strategie hat auch Nebenwirkungen. Eine davon: es entstehen weniger neue Kultfilme, weniger Experimente. Und es gibt durchaus Gegenbeispiele von originellen Filmen, die in den letzten Jahren riesige Hits wurden – was zeigt, dass Mut zu Neuem belohnt werden kann. Genau das sehen wir uns im nächsten Kapitel an.

6. Gegenbeispiele: Erfolgreiche originelle Filme seit 2010 (Budget & ROI)

Bei all den Fortsetzungen könnte man meinen, originelle Filme hätten gar keine Chance mehr auf große Erfolge. Dem ist aber nicht so! Es gab in den letzten ~15 Jahren immer wieder Originalfilme, die finanziell durch die Decke gingen – oft gerade weil sie dem Publikum etwas Frisches boten unter all den Fortsetzungen. Hier einige eindrucksvolle Beispiele, inklusive Budget und Return on Investment (ROI):

  • Inception (2010) – Christopher Nolans Sci-Fi-Heist-Trip war ein komplett eigenständiges Konzept (Traumwelten im Spionagethriller). Inception hatte ein stolzes Budget von ~160 Mio $ – Nolan durfte das dank Vorschusslorbeeren von The Dark Knight. Der Wurf gelang: Der Film spielte weltweit 836 Mio $ ein. ROI ~5,2x allein am Box Office. Dazu vier Oscars. Hier hat sich Originalität gelohnt: Inception bewies, dass großes Publikum auch komplexe, neue Geschichten annimmt, wenn sie packend erzählt und visuell bahnbrechend sind.

  • Gravity (2013) – Ein im All treibendes Astronauten-Drama als Blockbuster? Alfonso Cuarón wagte es. Budget ~100 Mio $, Einspielergebnis 723 Mio $ weltweit (über 7x). Ein visuelles Erlebnis, das man so noch nicht gesehen hatte – und die Zuschauer dankten es. Gravity gewann 7 Oscars und räumte an den Kassen mächtig ab, obwohl es kein Franchise, sondern ein einmaliges Erlebnis war.

  • American Sniper (2014) – Budget nur 58 Mio $, Einspiel 547 Mio $. Clint Eastwoods Biopic über einen Scharfschützen zog vor allem in den USA Massen an, war aber auch global sehr profitabel. Zeigt, dass selbst ernste, reale Stoffe ohne Franchise im Kino funktionieren können, wenn Zeitgeist und Marketing stimmen.

  • Get Out (2017) – DAS moderne Beispiel für fantastisches ROI: Jordan Peeles gesellschafts-satirischer Horrorfilm kostete läppische 4,5 Mio $ (Blumhouse lässt grüßen) und spielte weltweit 255 Mio $ ein – das 57-fache des Budgets!. Peele gewann sogar den Drehbuch-Oscar. Get Out bewies, dass originelle Ideen (hier: Rassismus-Theme im Horror-Genre) absolut durchschlagen können. Blumhouse verfolgt ja gezielt diese Low-Budget-Original-Strategie und landete weitere Hits wie The Purge, Paranormal Activity, M3GAN etc. mit minimalem Einsatz und maximalem Gewinn.

  • Joker (2019) – Okay, die Figur Joker ist natürlich bekannt, aber Joker von Todd Phillips war kein Sequel zu Dark Knight & Co., sondern eine eigenständige, riskante Neuinterpretation – im Grunde ein Originalfilm im Comicgewand. Budget moderat 55 Mio $, Einspiel über 1,07 Milliarden $! Damit ist Joker einer der profitabelsten Comicfilme aller Zeiten, ohne dass Batman auch nur auftaucht. Die Rechnung ging auf: Eine gewagte Vision + eine ikonische Figur = großer Erfolg. Der Film gewann den Goldenen Löwen in Venedig und zwei Oscars. Das zeigt: Man kann selbst im Comicbereich innovativ sein und das Publikum begeistern.

  • Barbie (2023) – Hier könnte man streiten: Ist Barbie originell oder ein Markenfilm? Die Puppe ist natürlich ur-bekannt (IP), aber es gab vorher keinen Barbie-Kinofilm, und Greta Gerwigs Ansatz war herrlich meta und frisch. Das Publikum strömte in pink ins Kino und machte Barbie zum Milliarden-Hit (Stand August 2023: ~1,2 Mrd $ Einspiel bei ca. 145 Mio $ Budget ). Auch Oppenheimer zeitgleich war ein originäres Drehbuch (Biopic) und holte über 700 Mio $. Das Phänomen „Barbenheimer“ bewies, dass auch Nicht-Sequels mega erfolgreich sein können – wenn man sie richtig präsentiert und der Nerv der Zeit getroffen wird.

Diese Liste ließe sich fortsetzen (z.B. Interstellar 2014, The Martian 2015, Crazy Rich Asians 2018, Everything Everywhere All at Once 2022…). Gerade 2023 war mit Barbie und Oppenheimer interessant, weil zum ersten Mal seit langem zwei große Originalfilme gleichzeitig abräumten.

Die Takeaways hier: Originalität kann sich auszahlen. Oft sind es kreative Visionen von Filmemachern, die neue Genres mischen oder aktuelle Themen anpacken, die unverbraucht wirken. Studios profitieren dann enorm, wenn so ein Wagnis klappt – aber man muss ehrlich sagen, solche Erfolge sind schwer vorherzusagen. Kein Studio hätte vorab garantieren können, dass Barbie so zündet oder Get Out über 250 Mio $ macht. Im Nachhinein sind wir alle schlauer.

Dennoch sind diese Beispiele wichtig, um zu sehen: Das Publikum honoriert Originalität durchaus. Viele Kinogänger sehnen sich geradezu nach frischen Ideen, nachdem sie sich an endlosen Sequels sattgesehen haben. In Umfragen nennen Zuschauer „Fortsetzungswut“ regelmäßig als Beschwerde – man möchte mal überrascht werden. Die Euphorie um etwas Einzigartiges wie Everything Everywhere All at Once zeigt, dass einzigartige Stoffe auch leidenschaftliche Fanbases schaffen können (Oscars u.s.w.).

Warum also finanziert Hollywood dann nicht mehr davon? Nun, wie oben erläutert: Das Risiko. Für jeden Get Out gibt es zig Originalfilme, die untergehen. Für Studios sind die oben genannten Erfolge zwar schön, aber nicht planbar. Barbie etwa war ja wiederum eine bekannte Marke (nur eben clever neu interpretiert). Und Nolan oder Villeneuve können vielleicht noch große Originalstoffe platzieren – Normalsterbliche Drehbuchautoren tun sich schwer.

Hier sind wir an einem Kernproblem: Viele der großartigen originellen Filme sind Einzelstücke. Es fehlt dann wieder die Bereitschaft (oder Möglichkeit), daraus neue Franchises aufzubauen. Inception 2? Wollte Nolan nicht (gut so). Joker 2 kam zwar (und floppte hart), aber auch nur weil Teil 1 so extrem Erfolg hatte – ursprünglich war er als Standalone gedacht. Bei Marvel und Co. hingegen ist von Anfang an auf Serie ausgelegt.

Man könnte sagen: Die Filmindustrie hat (aus betriebswirtschaftlicher Sicht) gelernt, Stories als endlose Serien zu behandeln, anstatt einzelne abgeschlossene Kunstwerke zu schaffen. Das bringt Geld, hat aber kulturell den Effekt, dass wir weniger Vielfalt an großen neuen Geschichten erleben. Spielberg meinte mal sinngemäß: „Früher haben wir jeden Sommer auf den neuen Filmhit gewartet – heute ist es Teil 7,8,9 von etwas.“ Recht hat er.

Doch bevor wir ins Kulturpessimistische abdriften: Es gibt noch genügend kreative Köpfe, die sich dem entgegenstemmen. Und es gibt die Möglichkeit, altbekannten Geschichten dennoch etwas Neues abzugewinnen. Damit sind wir beim nächsten Punkt.

7. Sind alle Geschichten schon erzählt? – Zur Originalität im Erzählen

Es gibt nur 7 Grundplots“, behauptete der Autor Christopher Booker einst. Über diese Zahl mag man streiten, aber das Gefühl kennst du sicher: Viele Filme heute scheinen nur Variationen bereits bekannter Storys zu sein. Gerade Hollywood greift ja oft auf bewährte Erzählmuster zurück. Doch heißt das, dass es nichts Neues mehr zu erzählen gibt? Ich persönlich glaube das nicht. Aber das Gefühl, dass „jede Geschichte schon mal da war“, ist ein Faktor, der zur aktuellen Sequel-Flut beiträgt.

Hollywood-Produzenten argumentieren manchmal: „Warum ein Kriegsdrama riskieren? Wir hatten doch Der Soldat James Ryan, das Nonplusultra des Genres.“ Oder: „Ein Holocaustfilm? Schindlers Liste hat das Thema meisterlich behandelt, das Publikum vergleicht alles damit.“ – Diese Denke kann kreatives Neuland blockieren. Denn tatsächlich gibt es Genres und Themen, die durch einige herausragende Filme quasi „abgedeckt“ scheinen. Sci-Fi-Horror im Weltraum? Alien (1979) setzt bis heute Maßstäbe – Ridley Scotts klaustrophobischer Terror ist unübertroffen, da traut sich mancher Studiochef keinen neuen Original-Weltraumhorror, sondern lieber ein Alien-Sequel (so geschehen mit Prometheus und Alien: Covenant als Prequels, statt was Neues zu wagen). Ähnlich im Kriegsfilm: Der Soldat James Ryan (1998) definierte das Genre für moderne Zuschauer; wer würde heute Geld in einen eigenständigen Weltkriegsfilm stecken, wenn nicht irgendeine bekannte IP dahinter ist? Tatsächlich scheiterte z.B. Midway (2019) trotz bombastischer Schlachtszenen an den Kassen – Thema war „zu bekannt“, ohne frischen Dreh.

Es gibt auch das Phänomen, dass moderne Filme oft Remakes inoffizieller Art sind: „Stranger Things“ z.B. ist ein Riesenerfolg auf Netflix, aber es ist bewusst ein Mashup aus 80er-Jahre-Filmen (ET, Goonies, Nightmare on Elm Street lassen grüßen). Es ist originell kombiniert, aber kein wirklich neuer Kern. Ähnlich greifen viele Superheldenfilme Storybeats immer wieder auf (Held verliert Mentor, Held muss Artefakt X finden, etc.). Selbst innovative Filme wie Matrix (1999) bauten letztlich auf Versatzstücken existierender Philosophie/Animes auf – aber eben in neuer Mischung.

Hollywood liebt es, auf bekannte Erzählmuster zurückzugreifen, weil sie beim Publikum funktionieren. Es gibt eine Art stillschweigendes Übereinkommen zwischen Filmemachern und Zuschauern: Bestimmte Archetypen, Strukturen und Tropen mögen wir immer wieder sehen (die Heldenreise, das Underdog-Siegt, der Love-Triangle etc.). Originalität entsteht dann häufig im Detail – durch Setting, Tonfall, Figurenzeichnung. So war Mad Max: Fury Road (2015) im Kern auch „nur“ eine weitere Verfolgungsjagd wie in Teil 2, aber audiovisuell und von der feministischen Perspektive her erfrischend neu.

Man kann also argumentieren: Viele Geschichten wurden schon erzählt – aber noch nicht von dir. Jede Generation und jede Kulturschaffende kann neue Facetten hinzufügen. Nur weil es z.B. seit Alien zig Monsterfilme gab, heißt das nicht, dass nicht morgen jemand einen Monsterfilm schreiben kann, der uns völlig umhaut, weil er es aus unerwartetem Blickwinkel erzählt.

Was ich jedoch beobachte (und was viele Kreative in Hollywood frustriert): Die großen Studios sind zögerlich geworden, unbekannte Erzählperspektiven zu finanzieren. Lieber bleibt man beim Bewährten. Dadurch scheinen gewisse „Storyräume“ ausgeschöpft. Bestes Beispiel: Originale Space-Opera im Kino? Schwierig, denn alles wird mit Star Wars verglichen. So greifen Filmemacher eher zur sicheren Variante und drehen gleich Star Wars Episode 10–12 (wenn Disney ruft), statt eine eigene Space-Saga zu erfinden – weil letztere wohl kaum grünes Licht bekäme im großen Stil.

Es herrscht eine gewisse Erzähl-Müdigkeit in Teilen Hollywoods – man setzt auf Nostalgie statt Neues. Einige sagen, das Publikum will auch nur Nostalgie. Aber die Erfolge origineller Filme (siehe oben) und Serien (Stranger Things trotz Retro-Elementen, oder Squid Game als völlig neuartige Serie) zeigen, dass ein echter Hunger nach neuen Geschichten da ist.

Was bedeutet das nun für Drehbuchautor:innen, die nach kreativen Drehbuchideen suchen? Ich würde sagen: Lasst euch nicht entmutigen! Ja, es ist wahr, viele Grundthemen wurden schon behandelt. Aber die Welt verändert sich, neue Generationen haben neue Fragen, neue Technologien eröffnen neue Konfliktfelder. Themen wie Klimawandel, KI, gesellschaftliche Umbrüche – da steckt reichlich Stoff für originelle Storys drin, der noch nicht ad nauseam verfilmt wurde. Auch neue Perspektiven (etwa aus diversen Kulturen, die früher in Hollywood wenig Gehör fanden) können altbekannten Stoffen Frische verleihen.

Ein schönes Beispiel ist Everything Everywhere All at Once (2022): Im Kern ein Familienversöhnungsdrama (uralt als Motiv), aber inszeniert als absurd-kreative Multiversums-Action-Komödie mit chinesisch-amerikanischer Protagonistin – so hat man das noch nie gesehen, und prompt war es ein Überraschungshit mit Oscars. Die Daniels (Regie-Duo) hatten einfach einen verrückten neuen Ansatz gewagt.

Heißt für uns: Vielleicht sind die Grundgeschichten auserzählt, aber die Art und Weise, wie wir sie erzählen, bietet unendliche Möglichkeiten zu Innovation. Gerade unabhängig von den Studio-Mainstreams entstehen ja originelle Perlen. Und wer weiß – irgendwann greifen die Studios den Trend wieder auf, wenn sie merken, dass das Publikum genug von Teil 27 hat.

Ein großer Hoffnungsschimmer, um neue Ideen zu fördern, könnte auch eine Technologie sein, die in aller Munde ist: Künstliche Intelligenz (KI). Das bringt uns zum Schlussblick.

8. Hoffnung durch KI: Neue kreative Möglichkeiten für die Filmideen der Zukunft

Kommen wir trotz allem Optimismus noch zur positiven Aussicht: KI könnte in Zukunft tatsächlich helfen, die Ideenschraube wieder nach oben zu drehen und nicht nur nach Schema F zu produzieren. Wie das? Nun, Generative KI – also Software wie GPT-4, Stable Diffusion & Co. – kann Kreativen als eine Art Sparringspartner dienen, um ungewöhnliche Einfälle zu generieren.

Stell dir z.B. vor, du hast eine grobe Story-Idee, aber suchst den besonderen Twist. Eine KI, trainiert auf unzähligen Geschichten, könnte in Sekunden 10 Alternativen ausspucken: „Was wäre, wenn dein Held am Ende der Bösewicht ist?“, „Denk mal drüber nach, die Handlung in der Bronzezeit anzusiedeln“ – sowas in der Art. Natürlich kommt nicht alles Gold sein, was KI vorschlägt (vieles wird generisch sein), aber es kann deinen eigenen kreativen Prozess anstoßen. Brainstorming mit KI könnte zu unerwarteten Kombinationen führen, auf die im routinierten Writers’ Room keiner gekommen wäre.

Ein Beispiel aus der Praxis: Studios nutzen bereits KI-Tools, um Drehbücher grob zu analysieren und mögliche Änderungen zu simulieren. Man kann z.B. fragen: „Was passiert, wenn ich Figur X sterben lasse im zweiten Akt?“ – Die KI generiert ein mögliches Szenario. Das ersetzt keinen Autor, aber es kann Ideen liefern, an die man selbst nicht dachte.

Auch für Worldbuilding kann KI nützlich sein. Willst du eine originelle Fantasy-Welt entwerfen? Lass dich von einer KI mit Inspirationsbeschreibungen füttern. Sie kann Millionen existierende Fiktionen kreuzen und so etwas scheinbar Neues erschaffen. Die Qualität hängt davon ab, wie kreativ du die KI nutzt – es ist ein Werkzeug, kein Wundermacher. Aber ich sehe darin die Chance, aus der „denken wir alle das Gleiche“-Blase auszubrechen. Menschliche Kreative neigen ja manchmal dazu, immer dieselben bekannten Werke als Referenz zu nehmen (die sog. „Pixar-Braintrust“ schaut auch nur auf bestehende Hits). Eine KI hingegen kann vielleicht einen obskuren alten Roman mit einem Manga und einem afrikanischen Volksmärchen verschmelzen – voila, ein frischer Input!

Nicht zuletzt kann KI helfen, Nischenideen sichtbar zu machen. Wenn Streamingdienste mithilfe von KI feststellen, dass es unbediente Interessen gibt („Viele Teenager mögen kreative Drehbuchideen mit Zeitreisen UND Coming-of-Age“), könnte man gezielt originelle Projekte dazu entwickeln, anstatt das x-te Allgemeinplatz-Sequel.

Natürlich sind da auch Bedenken: Manche fürchten, KI könnte Kreativität glätten und alles noch formelhafter machen (wenn Studios KI benutzen, um auf Nummer sicher zu gehen). Oder rechtliche Fragen (wem gehört ein von KI miterstelltes Skript? Aktuell sagt US-Recht: nur dem Menschen-Anteil daran). Aber ich bin vorsichtig optimistisch: KI könnte zum Katalysator für neue Kreativität werden, wenn wir sie spielerisch einsetzen. Sie kann uns aus Denkblockaden holen und mit „Was-wäre-wenn“-Szenarien inspirieren.

Manche unabhängigen Filmemacher experimentieren schon damit, komplette Kurzfilmskripte von KI schreiben zu lassen – oft Müll, klar, aber manchmal mit funkelnden Ideen, die ein Mensch dann veredeln kann.

Stell dir z.B. vor, du sagst einer KI: „Gib mir 5 völlig unterschiedliche High-Concept-Pitches, die es so noch nicht gab.“ – Vielleicht kommt was wie „KI in der Filmindustrie meets Zeitreise in der Steinzeit“ raus – total verrückt, aber hey, daraus könnte man eine irre Komödie machen. Solche abstrusen Kombis traut sich ein Hollywood-Studio-Exec vielleicht nicht vorzuschlagen, eine KI aber hat kein Schamgefühl.

Wichtig ist: KI soll nicht das Schreiben übernehmen, sondern neue Perspektiven ermöglichen. Sie kann auch helfen, Diversität in Ideen zu bringen, indem sie z.B. auf Daten aus aller Welt zugreift, nicht nur auf das, was in Hollywood eh jeder kennt. So gesehen, könnte KI der Story-Kultur wieder frisches Blut zuführen – ironischerweise ausgerechnet durch Algorithmen.

Ob das tatsächlich so kommt, wissen wir natürlich nicht. Aber nehmen wir an, KI nimmt den Studios in Zukunft manche Routinearbeiten ab (z.B. Drehplanerstellung, Effizienzanalyse) , dann hätten Kreative und Produzenten vielleicht auch wieder mehr Zeit, um an originellen Stoffen zu feilen. Und wenn KI dabei hilft, die Kosten zu senken (etwa durch virtuelles Location Scouting, schnelle Previsualisierung etc.), dann könnten eventuell auch mal riskantere Projekte realisiert werden, weil man dank KI-Einsatz budgetschonender drehen kann.

Zum Schluss will ich noch sagen: Trotz aller Franchise-Übermacht – die Lust auf neue Geschichten ist ungebrochen. Ich merke es an mir und vielen Kolleg:innen: Wir wollen originelle Filme machen. Und das Publikum will sie im Grunde auch sehen (niemand möchte doch wirklich nur noch Remakes vorgesetzt bekommen). Vielleicht braucht es einfach ein Umdenken in den Chefetagen, und vielleicht sind KI und andere Innovationen der Schlüssel dazu, wieder mutiger zu werden.

Ich hoffe, du konntest aus diesem Ritt durch Hollywoods Sequel-Landschaft etwas mitnehmen. Es war persönlich gehalten, weil ich das Thema leidenschaftlich verfolge – schließlich lieben wir Filme ja, gerade weil sie uns auch mal überraschen und Neues zeigen können. Im nächsten Abschnitt gebe ich dir noch eine kleine Checkliste mit, wie du selbst Originalität in deinen Stoff bringen kannst. Denn egal wie groß der Franchise-Trend ist: Gute, frische Geschichten werden immer ihren Wert haben.

Checkliste: Wie du Originalität im Stoff findest (für Drehbuchautor:innen)

Auch wenn die Branche auf Nummer sicher geht – du kannst für Originalität sorgen! Hier ein paar ermutigende Tipps, wie du frische Ideen entwickelst und dich vom Einheitsbrei abhebst:

  1. Mixe ungewöhnliche Genres oder Elemente: Kombiniere Dinge, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen. („Coming-of-Age trifft Zeitreise-Thriller“ oder „Western auf einem fremden Planeten“). Originelle Genre-Mixes stechen heraus.

  2. Perspektivwechsel: Erzähle eine bekannte Grundstory aus einem neuen Blickwinkel. Was, wenn die Geschichte mal aus Sicht des „Bösewichts“ oder einer Nebenfigur erzählt wird? Neue Perspektiven bringen Frische.

  3. Eigene Erfahrungen einbringen: Je persönlicher und spezifischer, desto origineller. Nutze deine einzigartigen Lebenserfahrungen, Kultur, Sprache – was dich ausmacht. Das verleiht deinem Stoff eine Stimme, die kein anderer kopieren kann.

  4. Klischees bewusst umdrehen: Nimm eine erwartbare Szene oder Figur und lass etwas anderes passieren als üblich. (z.B. der Held rettet NICHT die Welt, sondern scheitert – und daraus entsteht was Neues). Überraschungen erzeugen Originalität.

  5. Inspirieren lassen (aber nicht kopieren): Schau viele verschiedene Filme, lies Bücher aus fremden Genres, tauch in andere Künste ein. Je breiter dein Input, desto kreativer der Output. KI-Tools können hier helfen, dir Inspirationen querbeet zu liefern.

  6. „Was wäre, wenn…“-Fragen stellen: Übe dich im Spinntisieren: Schreibe 10 Varianten einer Idee auf. Oft wird Variante #9 die außergewöhnliche sein. Erlaube dir erstmal jeden Gedanken, selbst den verrücktesten – schleifen kannst du später immer noch.

  7. In Kleinem innovativ sein: Du musst nicht gleich das radikalste High-Concept liefern. Manchmal reicht ein frischer Schauplatz oder eine untypische Figurenkonstellation, um einem klassischen Plot Originalität einzuhauchen. (z.B. Detective Story, aber in der Antarktis mit Teenagern).

  8. Feedback von Außen suchen: Hol dir Early Reader aus unterschiedlichen Hintergründen. Wenn alle sagen „sowas hab ich noch nie gelesen!“, bist du auf einem guten Weg. Wenn das Feedback lautet „erinnert mich an [beliebigen Blockbuster]“, dann justiere nach und frag dich, was du ändern kannst, um es einzigartiger zu machen.

  9. KI als Kreativ-Assistent nutzen: Scheue dich nicht, mal eine KI nach Ideen zu fragen oder Variationen einer Szene generieren zu lassen. Nicht um die Arbeit abzugeben, sondern um dich selbst zu überraschen. Manchmal triggert ein Vorschlag der KI einen Geistesblitz bei dir – und plötzlich hast du eine originelle Wendung gefunden, auf die du alleine nicht gekommen wärst.

  10. Leidenschaft statt Kalkül: Schreib vor allem das, was dich begeistert und neugierig macht. Wenn du für ein Thema brennst, steckst du automatisch mehr Herzblut hinein – und oft entsteht daraus etwas Besonderes. Originalität kommt, wenn man etwas sagt, was aus tiefstem Inneren kommt, anstatt nur einem Trend nachzueifern.

Bleib also mutig und kreativ! Auch im Schatten von Sequels und Reboots werden originelle Filme gebraucht – und vielleicht schreibst gerade du das nächste große Original-Drehbuch, von dem wir alle nicht wussten, dass wir es sehen wollten.

Viel Erfolg dabei!

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