Filmkritik: Der Anschlag (Originaltitel: The Sum of All Fears, 2002)
Filmkritik: Der Anschlag (Originaltitel: The Sum of All Fears, 2002)
Handlung und Erzählweise
Der Anschlag erzählt die Geschichte von Jack Ryan, der aus Tom Clancys Romanen bekannt ist, diesmal jedoch als jüngerer, unerfahrener CIA-Analyst dargestellt wird. Die Prämisse: Eine Atombombe explodiert in den USA, was eine Eskalation zwischen den Vereinigten Staaten und Russland auslöst. Klingt spannend, oder? Theoretisch ja. Praktisch entpuppt sich die Handlung als Flickenteppich aus Logiklöchern, übertriebenem Pathos und einer seltsam abgestimmten Mischung aus Thriller und Action-Abenteuer.
Von Anfang an hat der Film Schwierigkeiten, eine kohärente Erzählweise zu etablieren. Während der Anfang vielversprechend ist, mit interessanten Szenarien und einer soliden Einführung der Hauptfigur, gerät die Geschichte schnell ins Wanken. Jack Ryans Verwandlung von einem Schreibtischtäter zum James-Bond-Verschnitt ist abrupt und unglaubwürdig. Es fehlt an narrativer Tiefe, und die Handlung ertrinkt in Klischees. Das Skript wirkt eher wie eine Collage von Szenen als wie eine durchdachte Erzählung.
Charaktere
Ben Affleck als Jack Ryan ist ein Fehlgriff. Zwar gibt er sich Mühe, den jüngeren, idealistischen Analysten darzustellen, doch der Charakter bleibt blass und unüberzeugend. Die Diskrepanz zwischen Afflecks Alter und der Chronologie der vorherigen Filme führt zu einer Verwirrung, die den Zuschauer aus der Immersion reißt.
Morgan Freeman als CIA-Direktor William Cabot bringt eine gewisse Würde mit, aber selbst seine Präsenz kann die flachen Dialoge nicht retten. Bridget Moynahan, die Jack Ryans Freundin Cathy spielt, wird auf eine stereotype “unterstützende Freundin” reduziert, was nicht nur frustrierend, sondern auch ärgerlich vorhersehbar ist.
Visuelle Gestaltung
Visuell bewegt sich der Film im soliden Mittelmaß. Die Kameraarbeit von John Lindley ist funktional, aber unauffällig. Die Explosion der Atombombe in Baltimore, die eigentlich eine der emotional und visuell stärksten Szenen sein sollte, wirkt erstaunlich unbeeindruckend. Die Darstellung der Zerstörung ist nicht nur technisch unzureichend, sondern auch erzählerisch schlecht integriert.
Sounddesign und Musik
Jerry Goldsmith, ein Meister seines Fachs, liefert mit dem Soundtrack eine ordentliche Arbeit ab, doch die Musik wirkt oft fehl am Platz. Statt die Spannung zu verstärken, wird sie manchmal zu pompös und lenkt vom Geschehen ab. Das Sounddesign bei der Explosion der Atombombe ist enttäuschend – eine Szene, die audiovisuell verstörend und beeindruckend sein sollte, verkommt zu einem lauen Feuerwerk.
Themen und Botschaften
Der Film versucht, sich mit den Themen von globaler Diplomatie, Angst vor Atomkrieg und der Zerbrechlichkeit menschlicher Entscheidungen auseinanderzusetzen. Leider bleibt die Umsetzung oberflächlich. Statt die politische Dimension des Stoffes zu nutzen, reduziert sich Der Anschlag auf simple Schwarz-Weiß-Malerei. Das Potenzial, ein relevanter und tiefgründiger Politthriller zu sein, wird zugunsten von Action-Sequenzen und Klischees verschenkt.
Genre und Vergleich zu anderen Filmen
Als Action-Thriller positioniert, steht Der Anschlag im Schatten seiner Genre-Vorgänger wie Crimson Tide oder Die Stunde der Patrioten. Während diese Filme durch glaubwürdige Charaktere und dichte Spannung glänzen, fehlt Der Anschlag jeglicher Anspruch auf Realismus und Subtilität. Selbst innerhalb der Jack-Ryan-Filmreihe fällt dieser Teil deutlich ab.
Leistung der Schauspieler
Ben Affleck ist schlichtweg fehlbesetzt. Seine Darstellung hat weder die Präsenz eines Harrison Ford noch die Intelligenz eines Alec Baldwin (Jagd auf Roter Oktober). Morgan Freeman bleibt solide, aber unterfordert. Der Rest des Casts ist kaum der Rede wert, da die Figuren ohnehin schlecht geschrieben sind.
Regie
Phil Alden Robinson, bekannt für Feld der Träume, wirkt hier überfordert. Seine Regie ist uninspiriert und ohne klare Handschrift. Wichtige Szenen, wie die Eskalation zwischen den USA und Russland, werden hastig abgehandelt, während andere Momente unnötig aufgebläht wirken.
Gesamteindruck
Der Anschlag ist ein Film voller verpasster Chancen. Was hätte ein fesselnder Thriller über globale Spannungen sein können, wird durch eine unlogische Handlung, flache Charaktere und fehlenden Realismus entwertet. Die Explosion der Atombombe, der emotionale und narrative Höhepunkt, wird so unspektakulär inszeniert, dass sie den Zuschauer eher mit Schulterzucken als mit Schock zurücklässt.
Zitat aus einer anderen Kritik: “Ein Film, der nicht weiß, ob er Thriller, Actionstreifen oder Parodie sein will, und letztlich an all diesen Fronten scheitert.” (Rotten Tomatoes)
Fazit:
Der Anschlag ist ein lehrreiches Beispiel dafür, wie man eine spannende Vorlage durch fehlgeleitete Entscheidungen in ein mittelmäßiges Durcheinander verwandelt. Für Fans von Jack Ryan ist er eine Enttäuschung, für alle anderen bestenfalls ein Actionfilm für einen regnerischen Sonntag.
Regie: Phil Alden Robinson
Hauptdarsteller: Ben Affleck, Morgan Freeman, James Cromwell, Bridget Moynahan
Genre: Action, Drama, Thriller, Krieg
Laufzeit: 124 Minuten