Ein musikalisches Fiasko: Emilia Pérez und die Tragödie ihrer 13 Oscar-Nominierungen
Manchmal sitze ich da und frage mich, wie solche Filme überhaupt das Licht der Welt erblicken. Emilia Pérez ist weniger ein Film und mehr ein überladenes Desaster, das zeigt, wie schnell fehlgeleitete Ambitionen in einem Abgrund enden können. Im Jahr 2024, das ohnehin schon von kreativer Flaute und den Nachwirkungen des Autoren- und Schauspielerstreiks geprägt war, schaffte es dieses Werk tatsächlich, 13 Oscar-Nominierungen zu sammeln. Für mich ist das kein Zeichen von Qualität, sondern ein trauriges Indiz dafür, wie schwach das Kinojahr gewesen sein muss.
Eine chaotische und taktlose Handlung
Die Prämisse von Emilia Pérez klingt schon auf dem Papier fragwürdig: Ein Drogenboss namens Juan „Manitas“ Del Monte täuscht seinen Tod vor, um eine Geschlechtsangleichung durchzuführen und als Emilia ein neues Leben zu beginnen. Mit der Hilfe einer desillusionierten Anwältin, Rita Mora Castro (gespielt von Zoe Saldaña), entwickelt sich eine wirre Geschichte aus zweifelhaften Läuterungsversuchen, grotesken Familienzusammenführungen und Musical-Nummern, die oft mehr irritieren als unterhalten.
Bereits in einer der ersten Szenen – einer absurden Krankenhaus-Sequenz, in der medizinischer Jargon gesungen wird – wird deutlich, wie wenig sich der Film selbst ernst nimmt. Die Choreografien sind emotionslos, die Lieder uninspiriert, und das Werk scheint sich mehr darauf zu konzentrieren, möglichst extravagant zu wirken, anstatt seiner Geschichte oder seinen Figuren gerecht zu werden.
Genre-Verwirrung und musikalische Mittelmäßigkeit
Es ist schwierig, Emilia Pérez als Musical ernst zu nehmen, wenn die Musik weder emotional berührt noch die Handlung sinnvoll vorantreibt. Gute Musicals – seien es Klassiker wie Singin’ in the Rain oder moderne Erfolge wie La La Land – schaffen es, dass jede Note, jede Melodie die Erzählung verstärkt. Hier jedoch wirken die Songs wie lästige Unterbrechungen, die den ohnehin schwachen Fluss der Geschichte noch weiter stören.
Die Melodien bleiben nicht im Kopf, die Texte sind platt, und ich kann nicht fassen, dass ich tatsächlich einer Nummer mit dem Titel „La Vaginoplastia“ beiwohnen musste. Diese Szene hätte komisch sein können, vielleicht sogar charmant. Stattdessen wurde sie zu einem bizarren Moment, der weder Humor noch Emotion bot und mich stattdessen einfach nur fassungslos zurückließ.
Auch die Choreografien tragen nichts zur Rettung bei. Damien Jalet, der mit seiner Arbeit an Suspiria (2018) beeindruckte, liefert hier inszenierte Bewegungen ab, die entweder deplatziert wirken oder schlicht schlecht gefilmt sind. In einem Genre, in dem Tanz ein entscheidendes Element ist, fühlt sich das wie ein fataler Fehltritt an.
Fehlrepräsentation und verpasste Chancen
Was mich jedoch am meisten stört, ist die Art und Weise, wie Emilia Pérez mit seinem zentralen Thema umgeht. Die Transition der Hauptfigur wird nicht als authentischer Ausdruck ihrer Identität behandelt, sondern als ein Werkzeug, um Verantwortung für frühere Verbrechen zu umgehen. Das ist nicht nur oberflächlich, sondern auch geradezu beleidigend für die trans Community.
Verglichen mit Filmen wie Die Regenschirme von Cherbourg (1964), die es schaffen, Fantasie und menschliche Tiefe meisterhaft zu verbinden, fühlt sich Audiards Werk leer und seelenlos an. Es versucht, visuell zu beeindrucken, lässt aber jegliche emotionale Resonanz vermissen.
2024: Ein schwaches Kinojahr
Wie kann ein so enttäuschender Film 13 Oscar-Nominierungen erhalten? Die Antwort liegt im Kontext. 2024 war ein Jahr, in dem Streiks die Filmindustrie lähmten und viele Produktionen entweder verschoben oder stark beeinträchtigt wurden. Das Ergebnis: Ein Mangel an ernstzunehmender Konkurrenz, der es einem derart chaotischen Werk ermöglichte, die Awards-Season zu dominieren.
Der Vergleich mit den fünf Filmen, die jemals die meisten Oscar-Nominierungen erhielten – Titanic (1997), All About Eve (1950), La La Land (2016), Ben-Hur (1959) und The Lord of the Rings: The Return of the King (2003) – könnte kaum deutlicher ausfallen. Diese Meisterwerke setzen Maßstäbe in ihrer jeweiligen Disziplin, seien es technische Innovationen, episches Storytelling oder musikalische Perfektion. Emilia Pérez reiht sich in keiner Weise in diese Liga ein.
Und dann gibt es Filme wie Shape of Water. Auch dieser erhielt eine Vielzahl an Auszeichnungen und Nominierungen, aber für mich war es schon damals schwer zu verstehen, warum. Ich kann nicht anders, als Emilia Pérez mit solchen Fehlentscheidungen in eine Reihe zu stellen. Es ist ein weiterer Beleg dafür, dass die Oscars oft mehr von Branchenpolitik und Zeitgeist als von echter Qualität geprägt sind.
Ein Weckruf für die Branche
Am Ende bleibt Emilia Pérez für mich nicht nur ein schlechter Film, sondern auch ein Symbol für die Probleme der modernen Filmindustrie. Es zeigt, was passiert, wenn Stil über Substanz triumphiert und leere Ambitionen wichtiger werden als echte Erzählkunst.
Dass ein Film wie dieser 13 Oscar-Nominierungen erhalten kann, sollte uns zu denken geben. Es ist ein Weckruf für die Branche, sich wieder auf das Wesentliche zu besinnen: auf Geschichten, die berühren, auf Figuren, die authentisch sind, und auf Filme, die etwas zu sagen haben.
Ich hoffe, dass wir in den kommenden Jahren aus solchen Fehltritten lernen und die Qualität wieder über das Spektakel stellen. Denn so etwas wie Emilia Pérez sollte nicht noch einmal passieren.