A History of Violence – Wenn die Vergangenheit zuschlägt
David Cronenbergs A History of Violence entzieht sich seinen gewohnten surrealen und körperlich-abgründigen Themen, ohne dabei seine künstlerische Handschrift ganz zu verlieren. Der Film ist auf den ersten Blick ein gradliniger Thriller, der die dünne Fassade der Idylle durch Gewalt und Identitätsverlust aufbricht – schlicht, aber effektiv.
Ein Held wider Willen
Tom Stall (Viggo Mortensen) lebt das perfekte Kleinstadtleben: ein harmonisches Zuhause, ein kleines Café und eine intakte Familie. Doch diese scheinbare Ruhe zerbricht, als zwei Verbrecher sein Café überfallen und Tom in einem Akt brutaler Effizienz beide tötet. Die Tat macht ihn zum gefeierten Helden, doch sie lockt auch dunkle Gestalten aus seiner Vergangenheit an. Cronenberg entlarvt die Ruhe der Vorstadt als fragiles Konstrukt, das bei der ersten Erschütterung zu bröckeln beginnt.
Die Geschichte der Gewalt
Wie der Titel andeutet, geht es um die allgegenwärtige Natur von Gewalt. Sie ist in der DNA der Gesellschaft verankert, wird verborgen und verdrängt, bis sie eruptiv hervorbricht. Cronenberg zeigt Gewalt nicht als stilisiertes Spektakel, sondern als etwas Verstörendes und Rohes. Jede Gewalttat ist schockierend – nicht nur wegen ihrer Darstellung, sondern weil sie die Masken der Zivilisiertheit zerreißt.
Viggo Mortensen: Ein Meister der Ambivalenz
Viggo Mortensen überzeugt als Tom Stall, dessen ruhiges Äußeres immer wieder von bedrohlicher Dunkelheit durchbrochen wird. Seine ambivalente Figur bleibt der Dreh- und Angelpunkt des Films: Ist er der friedliebende Familienvater oder ein Mann mit einer tödlichen Vergangenheit? Diese Frage zieht sich wie ein roter Faden durch die Handlung und hält die Spannung konstant hoch. Auch Ed Harris als sinistrer Besucher und William Hurt in einer kurzen, aber denkwürdigen Rolle verleihen dem Film zusätzliche Intensität.
Ein subtiles Meisterwerk der Inszenierung
Cronenberg verzichtet auf überflüssigen Schnickschnack und erzählt die Geschichte klar und präzise. Die Kameraarbeit setzt auf ruhige Bilder und ein unaufdringliches Tempo, das die brutalen Ausbrüche umso stärker wirken lässt. Auch der minimalistische Soundtrack begleitet die düstere Atmosphäre ohne unnötige Dramatik. Gerade in diesen stillen Momenten zeigt sich Cronenbergs Gespür für das Unausgesprochene und Unheimliche.
Ein brutales Spiegelbild der Zivilisation
A History of Violence erzählt eine Geschichte, die weit über den Thriller hinausgeht. Es ist ein Film über Identität, Schuld und die verdrängte Gewalt, die im Menschen schlummert. Cronenberg wirft die Frage auf, ob man jemals wirklich vor seiner Vergangenheit fliehen kann – oder ob sie früher oder später einholt und alles zerstört, was man aufgebaut hat.
Fazit
A History of Violence ist ein packender, unerbittlicher Thriller, der Gewalt nicht ästhetisiert, sondern in ihrer rohen Realität zeigt. David Cronenberg bleibt sich treu, indem er den menschlichen Körper und Geist als Schlachtfelder inszeniert, auch wenn er hier auf subtilere Weise vorgeht. Ein meisterhaftes Spiel mit Identität und Moral, getragen von herausragenden Darstellern, das bis zur letzten Szene nachhallt. Ein Film, der ebenso verstört wie fasziniert.